Verona Diaries - News


Zu unserem 100. Tagebucheintrag von Eva Saalfeld
möchten wir den Gewinnern unseres Jubiläumsgewinnspiels recht herzlich gratulieren.



Sonntag, 27.10.2013 [Woche 103-106]
by XShipper   
Im Baby-Fieber    




Zeit ist eine Macht, der man versuchen sollte, ein Schnippchen zu schlagen. Doch verrennt sie und verrinnt zwischen den Fingern wie feiner Kieselsand und wird augenblicklich vom Wind davongetragen wie jeder Wimpernschlag bereits Vergangenheit ist. Die Zeit verstreicht so schnell, und manchmal merkt man es gar nicht oder vielmehr erst, wenn sie wie Leuchtreklame direkt einen vor den Kopf stößt. Dennoch soll bekanntlich dieses stete Fortdauern alte Wunden heilen, was ich mir mehr als alles andere im Moment wünsche und leider nur langsam spüre…

Wir waren sehr beschäftigt und hatten kaum mal Ruhe für uns selbst, zu viel geschah und brach auf uns ein, dass ich nicht dazu kam, meine Gedanken hierzu oder dazu auf Papier zu bringen. Dennoch hatte ich das Gefühl, mich eher erschöpft und irgendwie kraftlos lieber auf die Couch zu legen, während draußen die ersten Herbstblätter auf die Schieferdächer fielen und von der Gezeitenwende verkünden. Solch eine Wende ist einigen meiner Freunde zuteil geworden, um die ich sie beneide, wenn ich ehrlich sein darf.

Über neues Leben soll man sich ja freuen – und das tu ich. Tiziana watschelt bereits mit kugelrundem Wanst umher, worüber sie selbst schon Witze reißt. Diese Beschreibung kam übrigens von ihr selbst, also nicht, dass ich sie irgendwie beleidigen möchte – ganz im Gegenteil. Sie schaut so glücklich aus, so zufrieden und sie freut sich so dermaßen.

Neulich hatten wir viel Spaß daran, die Babystube für sie herzurichten. Die Männer grübelten bei Bier über die Bauanleitungen und darüber, wo die passenden Werkzeuge zum Zusammenschrauben von Wiege und Wickeltisch waren. Wir Frauen genossen ein Gläschen Wein und hatten unsere Kübel vielmehr voller Farbe mit den unterschiedlichsten Pastelltönen. War ja klar, dass ich für die Gestaltung des Zimmers zu Rate gezogen worden war. Verzierungen und verschiedene Motive zeichnete ich an den Wänden vor und zusammen malten wir sie aus.

Natürlich herrschte pures Chaos, weil wir uns alle ständig und überall im Weg standen. Wir krochen über einander, schlichen um die Flaschen und Schrauben, traten aus Versehen auf Hände, Füße gar auf spitze Nägel, verursachten ein heiden Durcheinander und fügten uns geduldig den Anweisungen Tizianas, die gemütlich in einem eilig herbei getragenen Sessel im Türrahmen saß und ihre schweren Beine auf einen Schemel abgelegt hatte. Es war so surreal und doch komisch zugleich, dass wir irgendwann vor lauter Gelächter zu nix mehr kamen und tags darauf noch weitermachen mussten.

Den nächsten Besuch hatten wir schließlich bei Konstantin und Marlene – wir wollten es uns nicht nehmen lassen, ihnen persönlich zu gratulieren, also kamen wir auf einen Nachmittag vorbei. Am Telefon schon brauchte Marlene gar nicht viel sagen und wir brachten vor Überraschung ausschließlich nur jede Menge Aaaaawwwwwwwwww’s und „Ooooooooooooh Gott’s heraus.

Erst auf der Fahrt dahin, bei der ich ungewöhnlich ruhig verblieb, schossen mir Gedanken durch den Kopf, welche dem Gefühl des Neids sehr ähnelten. Ich schämte mich… umso mehr wollte ich die beiden dann sehen und die Arme schließen. Und kurz bevor wir auf deren Auffahrt einbogen, war ich innerlich so aufgewühlt – jedoch vor lauter Freude. Sekt floss nicht in Strömen, aber Orangensaft tat es auch.

Ein Babystrampler, aus dessen Bauchtasche ein putziges Esel-Plüschtier hervorschaute, war unser Mitbringsel sowie eine selbstwärmende Babyflasche, die beide erst einmal für Verwirrungen sorgten. Der kleine Emil war meine Idee. Marlene war sehr angetan davon und meinte sogar, dass das so niedlich sei, so etwas müsse kommerziell auf den Markt gebracht werden. Vielleicht sollte ich wirklich mal meine Rechte an der Geschichte prüfen und recherchieren, ob das möglich wäre. Mein Verleger würde sich sicher darüber freuen, die Buchreihe in irgendeiner Art ausweiten zu können.

Ah, genug davon, ich bin ja nicht auf Geld aus – wie so manch andere. Und da kommen wir auf die zuvor erwähnte Zeit zurück. Meinen Schock über gewisse Neuigkeiten aus Deutschland kann ich nicht in Worte fassen und am liebsten würde ich diesen Umstand verdrängen. Einfach alles ausblenden und ignorieren, sonst werde ich noch wahnsinnig. Was ich nicht sehe, ist nicht da – oder?! Nein, so einfach ist das leider nicht.

Ich saß zuhause fest, ich wurde unruhig und ich fing mit Kochen an. Wirklich! Wenn ich nicht gerade auf Arbeit war und zuhause keine Arbeit und kein Kind mehr nach mir schrie, schnappte ich mir eines von Roberts Büchern aus dem Regal und verschlang förmlich die darin enthaltenen Rezepte… heimlich!

Das Resultat davon blieb da nicht lange im Verborgenen – wie auch, denn wenn ich nun am Herd stehe, lass ich dieses Halbwissen mal hier, mal da einfließen. Dafür kann ich nichts, das passiert einfach so. Bei Robert ging ich am Fürstenhof sozusagen in die Vorschule, nun bin ich in der ersten Klasse und von meinem Mann habe ich die ersten Bienchen und Sternchen bekommen.

Neulich machte ich Abendbrot und in meinem Kopf schwirrte wirres Zeug rum, was damals alles in diesem Waldstück passiert war. Wie mich Robert damals mit einer List befreien konnte und diese Hexe in die Flucht schlug – zumindest glaubten wir das… welch ein Trugschluss, ha! Was ich dabei vor mir in die Pfanne haute, womit ich es würzte, bekam ich gar nicht richtig mit. Ich war wie taub für den Geruch, der aufstieg. Einen jedoch lockte es förmlich an. Hinaus aus seiner Restaurantküche, direkt hinein in unsere. Ich erschrak fast, als sich große Hände von hinten um mich schlangen.

„Wer bist du und was hast du mit meiner Frau gemacht?!“ Dieser verrückte Narr, ich hätte vor Schreck ihn eins mit der heißen Pfanne übergebraten! Aber nur beinahe und DAS ist das Seltsame an der Geschichte. Nach all dem hätte ich austicken müssen, stattdessen lachte ich. Seine Hände kitzelten mich und ich konnte nicht an mich halten. Robert selbst war im ersten Moment überrascht, erzählte er mir später und fragte sich tatsächlich, wen genau er da im Arm hatte.

Aber es war ich und gewisse Wunden scheinen tatsächlich irgendwann zu verheilen – wenn auch langsam! Vielleicht ist also irgendwann JETZT! Zuweilen brenne ich jedoch nicht mehr die Rühreier an, backe keine versalzenden Kuchen mehr und bekomme stattdessen ein genüssliches „daran könnt ich mich gewöhnen“ als Kompliment von meinem Sternenkoch!

Deine