Verona Diaries - News


Zu unserem 100. Tagebucheintrag von Eva Saalfeld
möchten wir den Gewinnern unseres Jubiläumsgewinnspiels recht herzlich gratulieren.



Sonntag, 29.09.2013 [Woche 101-102]
by XShipper   
Dirty Dancing in Florenz    



Oh man, in dir muss ich ja mittlerweile ganz schön blättern, bis ich auf noch freie Seiten stoße. Entweder bist du dünner und hast weniger Blätter als die vorherigen Tagebücher, oder ich hab wahrlich schon sehr viel in dich hineingeschrieben. Mh, beides scheint mir nicht zutreffend. Aber ich wollte es mal erwähnt haben, dass es mir auffiel. Irgendwann jedoch werde ich bestimmt ein ganzes Regal mit deinen Vorgängern und Nachfolgern füllen – da bin ich mir sicher! Doch prall gefüllt bist du so oder so, weil etliche Fotos meine Einträge zieren und schmücken.

Was mich zu der Erkenntnis bringt, dass mir ein paar ganz besondere Momentaufnahmen fehlen. Das kann doch nicht wahr sein?! Wieso fällt mir das denn jetzt erst auf? Da muss ich wohl mal Robert fragen oder rumtelefonieren. Aber Robert ist gerade in seiner Restaurante-Cucina, da kann ich schlecht reinstürmen und ihn nach so einer Lappalie fragen. Ich könnte schön, aber die Fotos werden wohl oder übel eben warten müssen.

So denn bleibt mir keine andere Wahl, als dir davon zu berichten. Erst einmal mach ich mir einen leckeren Cappuccino mit unserem neuen Kaffeevollautomaten, der ein Geschenk zum Hochzeitstag war. Eigentlich haben es die Italiener hier nicht so mit diesen Maschinen, brühen lieber alles von Hand in ihren Kännchens, aber … gewisse deutsche Eigenarten kann man schwer ablegen. Und diese frisch zubereiteten Cappuccini könnte ich den lieben, langen Tag trinken.

Oh, wo war ich? Entschuldige, ich bin noch etwas durcheinander… Also, gerade fand hier das kunterbunte Straßenspiel-Festival Tocatì in Verona statt. Mit unserer Kindergartentruppe zusammen mit vielen Elternpaaren sind wir extra zur Eröffnungsveranstaltung hin und haben uns die traditionsreichen, altertümlichen und gar verrückten gesellschaftlichen Spiele angeschaut, bei denen einige unserer Kleinen mitmachen konnten. Andere waren wiederum viel zu spektakulär. Die ganze Innenstadt von Verona war eine einzige Spielwiese. Nebenbei gab es allerhand Theater, Tänze sowie an jeder Ecke und auf jeder Piaza wurde Musik gespielt. Bei der Verköstigung allerdings gab es dann so einige Hindernisse zu bewältigen – die diesjährigen Feierlichkeiten wurden dieses Mal mit dem Gastgeberland Ungarn ausgetragen, also gab es fast nur ungarische Spezialisten:

Scharfen Gulasch aus Kesseln oder Korhely-Suppe mit Sauerkraut, deftige Szegediner Fischsuppe, diverse Wurstspezialitäten vom Räucherstand (ein paar davon holte ich für Robert), Langos mit allerhand möglichen Belegen (was die Kinder vorzugsweise aßen), das Gemüsegericht Lecso (wovon ich mir ein eingemachtes Glas kaufte), jede Menge Salzgurken (bei denen mir das Wasser im Mund zusammenlief), leckere Strudel nach ungarischer Art, die Dobostorten mit reichlich Schokoladencreme und einer Zuckerglasur, Kulinarisches aus Edelkastanien, vorzügliche Obstsuppen mit frisch gepflückten Kirschen, süße wie herzhafte Gundeln, Baumkuchen und Bejgli aus Mohn oder Nüssen. Ich fühlte mich jedenfalls wie im Schlaraffenland und dabei gab es noch so viel mehr, wofür mir die Zeit fehlte, es zu probieren. Ich aß demnach mehr als dass ich bei irgendwelchen Spielen mitmachte.

Für das „12 Apostoli“ wurde extra Personal für die Küche eingestellt, da das Menü dem Festival für eine ungarische Woche angepasst worden war. Es sollte so authentisch wie möglich und sehr nahe an den originalen Rezepten gekocht werden, dass sich Robert dazu entschieden hatte und es für besser hielt.



Dass das jedoch nicht sein einziger Grund war, sondern er noch einen gewissen Hintergedanken damit bezweckte, sollte ich noch früh genug erfahren. Denn hauptsächlich brauchte mein Spitzenkoch einen Ersatz bzw. eben eine ungarische Vertretung.

Der Schlawiner ist immer für eine Überraschung gut. Während unser 2. Hochzeitstag ganz romantisch, ruhig und beschaulich vonstatten ging, wir unsere baumwollene Hochzeit genossen, in weichen, warmen Decken gehüllt mit Frühstück im Bett den Morgen begrüßten, uns gegenseitig ein paar kleine durchaus nützliche Geschenke machten (wie oben schon erwähnt die vollautomatische Kaffeemaschine), folgte darauf ein aufregendes, voller Hektik gefülltes wie auch lautes und zudem feuchtfröhliches Wochenende.

Ehe ich auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte oder gar die Augen offen hatte, zog Robert mir die Zudecke vom Leib, in die ich mich gerade gähnend noch reinkuscheln wollte, und blies sprichwörtlich zum Marsch! Hätte nicht gerade die Sonne durch das Fenster geschienen, wäre meine Laune für den Tag bestimmt auf Ewig im Keller eingepfercht geblieben. „Raus aus den Federn, meine holde Maid!“, brummte er vergnügt und landete mit einem kräftigen Plumps neben mir auf dem Bett, wodurch ich regelrecht ein Hüpfer machte. Fortan war ich wach und sollte für die kommende Zeit kaum mehr zu weiterem Schlaf kommen.

Alles ging husch-husch und schon saßen wir mit Sack und Pack im Auto gen Süden. Ich verstand nicht recht und verfluchte innerlich meinen eigenbrötlerischen Ehemann, der mal wieder ohne mein Wissen etwas ausgeheckt hatte. Dann kam raus, dass unter anderem die neue Bettwäsche noch längst nicht alles gewesen sollten. Ich fragte mich etwas geknickt, ob ihm der neue Baumwollschal für den anstehenden Winter nicht gefallen hätte. Doch weiter konnte ich diesen Gedanken nicht verfolgen, sah ich doch schon ein Straßenschild mit der angepriesenen Richtung, in die wir wohl gerade zu fahren schienen – FLORENZ!

Nur ein Kurztrip, nichts Weltbewegendes, nichts Luxuriöses oder dergleichen. Lediglich ein Besuch bei Verwandten, die zufällig auch in unserem schönen Land wohnen… bzw. neu hier her gezogen waren. Und es war eine tolle Überraschung, das war sie. Ich freute mich augenblicklich und erkannte, wie sehr Robert ein Stein vom Herzen fiel. Auch er war glücklich und freute sich darauf, seinen Halbbruder zu treffen. Auch wenn wir nicht direkt in erster Linie miteinander verwandt sind, beide Männer nur den gleichen Vater teilen, so verbindet uns allen doch etwas Grundlegenderes. Unser Zuhause! Der Ort, an dem sich unser aller Schicksal wandelte und uns einen neuen Weg wie auch Partner für das kommende Leben zuwies. Das verbindet uns – wir alle sind Kinder vom Fürstenhof.

Die Zeit schien wie im Flug zu verstreichen, dabei hatten wir so viel unternommen. Essen waren wir in einem schicken Restaurant und Robert konnte sein Wissen über die italienische Küche an den Mann bringen. Indes faszinierten mich Marlenes Ohrringe, dass wir uns ausgiebig über ihre Schmuckkollektion unterhielten. Mittendrin saß Valentina, die vor lauter Aufmerksamkeit zur kleinen Diva wurde. Anschließend flanierten wir durch Florenz, kauften Souvenirs und schwelgten an der frischen Luft über das herrliche Wetter dieser Stadt bis uns die Füße wehtaten und Valentina quengelte. Bei Kaffee und Kuchen bei unseren Gastgebern zuhause hatte dann Konstantin Roberts kleine Prinzessin die ganze Zeit auf dem Schoß, und er konnte nicht aufhören, mit dem kleinen Fratz zu schäkern. Er war ganz angetan und ich bemerkte den ein oder anderen verstohlenen Blick, den sich das frisch getraute Paar zuwarf.

Als es spät wurde, brachte Marlene unsere Tochter zu Bett. Es war rührend anzuschauen. Dabei kam natürlich die Frage auf, wie es bei uns mit weiterem Kinderwunsch bestellt sei. In aller Kürze fassten wir unsere zukünftigen Vorstellungen zusammen, woraufhin wir zwei nickende Gesten von Konstantin und Marlene ernteten. Sie wollten auch, gestanden sie uns, wüssten aber zeitlich nicht, wann dafür der richtige Moment wäre.

Den Abend ließen wir feierlich ausklingen. Konstantin lud uns in seine frisch renovierte Bar ein. Bis spät tanzten wir, ab und zu versuchten wir uns entgegen der lauten Musik zu unterhalten, tranken die bestgemixten Drinks unseres Lebens und feierten. Heute Morgen nur wusste ich nicht, tat mir alles aufgrund des Katers weh, oder waren es die höllisch guten Rhythmen, mit denen Konstantin uns Frauen über das Parkett gejagt hatte. Was für ein Tänzer! Dagegen ist dieser anzügliche Tanzfilm aus den Achtzigern vergleichsweise noch unschuldig. Ich sollte öfter mal mit Robert gewisse Lokale aufsuchen und mit ihm tanzen gehen.

Das war eine der Erkenntnisse wie auch die Tatsache, dass Abschiede schrecklich sind. Aber so plötzlich wie wir nach Florenz gefahren waren, so eilig mussten wir auch wieder zurück nach Verona. Es war nur eine Stippvisite, doch wir versprachen einander, wenn wir allesamt mehr Zeit haben, dann wollen wir so richtig Urlaub miteinander machen, denn wirklich viel von Florenz haben wir nicht gesehen. Und vielleicht können mein Bruder Jakob und Debbie dann sogar auch.

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