Verona Diaries - News


Zu unserem 100. Tagebucheintrag von Eva Saalfeld
möchten wir den Gewinnern unseres Jubiläumsgewinnspiels recht herzlich gratulieren.



Sonntag, 15.09.2013 [Woche 100]
by XShipper   
Heilloses Durcheinander    



Wenn Robert so gekonnt hätte, wie er es wollte, hätte er am liebsten den Fürstenhof aufgemischt. Leider bin ich nicht so mit seinen Kindheitserinnerungen vertraut, zumal die Leute am 5-Sterne-Hotel ja ein- und ausgehen. Woher soll ich also wissen, wen mein Mann von früher her kennt, als er selbst noch ein Kind war?

Temperamentvoll und geladen war er jeweils nach den Gesprächen mit seinen Eltern, da war anfangs nicht viel von ihm rauszubekommen. Er tigerte wild gestikulierend und schimpfend durch die Wohnung. Nahm währenddessen ständig etwas in die Hand, um es andernorts einfach wieder abzustellen, wo es nun gewiss nicht hingehört. Wie der Topfdeckel aus der Küche plötzlich einen neuen Platz neben den Büchern im Regal fand. Oder die Fernbedienung kurzerhand mit im Besteckkorb in der Waschmaschine landete.

Ich saß nur da und guckte ihm hinterher wie eine Zuschauerin im Court eines Tennisspiels – immer hin und her. Als es mir dann doch zu bunt bzw. zu durcheinander wurde, stand ich auf und versuchte unauffällig hinter ihm aufzuräumen. Einmal kamen wir uns dabei in die Quere und ich fühlte mich ertappt. Aber Robert fuchtelte nur dem Kochlöffel und fragte mich, obwohl er seiner Überzeugung sicher war: „Stimmt doch, oder?“ Ich nickte irritiert und nahm ihm den Kochlöffel ab. Er schürzte die Lippen, kniff die Brauen zusammen und betrachtete mich ebenfalls nickend als könne er in meinem Blick noch mehr Bestätigung finden.

Da ich jedoch überhaupt nicht durchblickte, worum es ihm überhaupt ging, akzeptierte er, was auch immer er in meinen Augen zu sehen glaubte, und setzte seinen unruhigen Gang fort. Mir kam indes ein Geistesblitz, weswegen ich herumfuhr und vorschlug: „Was hältst du davon, wenn wir schick essen gehen?“ Da blieb er stehen und ein Grinsen zeichnete sich langsam auf seinen Lippen ab. Er kam langsam zu mir, bis er mich umschlang und seine Hände auf meinen Hüften ruhten, da erkundige er sich: „So richtig mit Kerzenschein, Wein und sanftem Gedudel im Hintergrund?“ Erneut nickte ich, woraufhin wir beide lachten.

Es sollte also einer der letzten schönen Abende werden, da mich meine Arbeit mit dem Ende der Ferienzeit ab nächster Woche wieder in vollem Umfang einnehmen würde. Also führte mich Robert aus – wir waren elegant gekleidet, die Sommernacht war lau und warm, die Straßen von Verona waren trotz der späten Stunde hell erleuchtet und voller Menschen, die ebenfalls den Tag auf ihre Weise ausklingen lassen wollten.

In einer Seitengasse fanden wir ein viel umworbenes Restaurant, dessen Bilder auf der Speisekarte allerhand Delikates versprachen. Der Kellner wies uns freundlich auf einen schön gemütlichen Platz im hinteren Gartenbereich, sodass wir den klaren Sternenhimmel genießen konnten. Jedoch war es leider auch das Einzige, was an dieser Gaststätte genießbar war. Unser Wein schmeckte schal und die lieblos servierten Teller, die uns die Bedienung auf den Tisch knallte, boten ein wenig appetitliches Bild.



Wir schauten nicht schlecht und konnten nur mutmaßen, dass unsere Speisen brühwarm aus der Mikrowelle kamen. Robert ließ das natürlich nicht kalt und bestellte den Ober heran… aber pronto. Als mein Sternekoch seine fachkundige Meinung äußerte und dabei eine nicht gerade nette italienische Wortwahl nutzte, durften wir uns zig Entschuldigungen anhören, die letztlich darin mündeten, dass wir nicht zu bezahlen brauchten. Robert meinte, das wäre das Mindeste, weil wir uns so etwas als Gäste des Hauses nicht zu gefallen lassen brauchen und er seine Meinung jedenfalls auch offenkundig äußern wird.

Er zog mich an der Hand haltend eiligst aus diesem Pseudo-Genusstempel, wie er es so schön umschrieb, heraus und stampfte regelrecht. So wollte er den Abend nicht enden lassen – schon gar nicht mit leerem Magen. Somit war unser Ausflug ein Schuss in den Ofen und wir trotteten hungrig nach Hause, wo Robert uns stattdessen was Schönes zaubern würde… was er hätte gleich tun sollen.

Während er dann in der Küche werkelte und zum Glück blindlings alles Nötige an seinem Platz fand – dank mir, sonst hätte er auch noch die Gewürzmühle im Kühlschrank suchen müssen –, nutzte ich die Wartezeit, um selbst mit einem Teil meiner Familie zu telefonieren. Schier eine Ewigkeit hatte ich nicht mehr mit meinem Bruder gesprochen, der jedoch so viel und eiligst in den Hörer quasselte, dass ich Mühe hatte ihm zu folgen. Ernten hier, Ernten da, Märkte, Verkaufen, Zuchterfolge und nochmals Ernten über Ernten. Tja, als Bauer hätte er eben allerhand zu tun und gerade eigentlich so gar keine Zeit und überhaupt und vor allem und sowieso…

… so sind sie eben, meine Männer!

Deine