Samstag, 19 November 2011 [Woche 6]
by XShipper

Es gibt Dinge, die ich über Robert noch nicht wusste, weißt du. Dinge, die mich über gewisse Geschehnisse nun etwas anders denken lassen, sie für mich auch begreifbarer machen. Es war eine Woche voller Erinnerungen. Zuerst Markus' Lebenszeichen aus weit, weit weg: eine Postkarte lag eines Morgens in unserem Briefkasten. Ich liebe seine Art, Erlebnisse zu schildern und Gefühle zu beschreiben. Und sein Abenteuer auf See steckt so voller Lebenslust! Er schrieb nicht viel, aber es tut gut zu wissen, dass er trotz aller Anstrengungen Freude empfindet und glücklich darüber ist, mit seiner Schwester unterwegs sein zu können. Und wer weiß, vielleicht ankert er irgendwann vor unseren Küsten. Bis dahin treibt ihn der Wind übers Meer und ich wünsche ihm alles Glück der Welt. Er hat es so verdient… und ein bisschen vermisse ich ihn.

Nicht nur meine Vergangenheit meldete sich diese Woche, auch Roberts seine. Jedoch eine, die bisher ein graues Tuch für mich war. Marie hatte angerufen; sie wollte eigentlich Robert wegen eines Rezeptes sprechen, um extra ein besonderse Gericht für Hendrik als Überraschung zu kochen. Aber der Chefkoch war wie immer noch in der Küche. Stattdessen plauschten wir miteinander – es wurde spät… und Marie fing an aus dem Nähkästchen zu plaudern. Da sie wissen wollte, wie es mir mit Robert ergeht, erfuhr ich so, dass ihr Exfreund nun mein Ehemann ist. Da haben wir gegackert wie kleine Mädchen.

Aber Robert war bis vor ein paar Jahren noch ein richtiger Idiot, ein kleiner Pascha! Ein pubertierender Kerl mit hochgegelten Haaren, der gerne Cabrio fahrend Frauen abschleppte. Na gut, nicht ganz so schlimm. Aber was sie mit ihm durchmachen musste, stockte mir doch den Atem. Eines schockte mich jedoch mehr: Auch sie war einst von ihm schwanger, prallte bei ihm auf Ablehnung und verlor das gemeinsame Kind. Leider auf ähnliche Weise wie Frau von Heidenberg. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Es gab demnach einen Robert vor dem jetzigen – einen wilden, unbeherrschten Jungen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich ihn zu einer anderen Zeit als damals kennengelernt habe. Zwar auch in einer schwierigen Phase für ihn – obwohl... schwierig ist gar kein Ausdruck – dennoch war er früher viel anders. Er hat seiner Miriam viel zu verdanken und mit ihr hatte sich alles verändert, das weiß er auch. Sie muss eine außergewöhnliche Frau gewesen sein…

Zum Glück gab es auch Lustiges, worüber wir sprachen. Und genau just zu dieser Zeit hatte Robert Feierabend und wollte gleich wissen, warum mein Lachen durchs ganze Haus schallt. Noch kurz telefonierte er mit Marie, anschließend schwelgten wir in Erinnerungen und kamen erstaunlicher Weise doch auf ein gemeinsames Ereignis aus unserer Kindheit. Vor ein paar Monaten erlaubte er sich ja schon mal zu spekulieren, wie wohl alles gekommen wäre, wenn wir uns bereits als Kinder gekannt hätten. Und tatsächlich… ich erinnerte mich an einen blöden Bengel, der mal über den Zaun unseres Gehöfts geklettert kam, um Kirschen zu klauen. Ein anderer, etwas älterer Bub stand schmiere, aber rannte beim kleinsten Anzeichen von Gefahr in Form meines Bruders, selbstverständlich Jacob, feige davon. Robert fiel es da wie Schuppen von den Augen und er verfluchte lautstark seinen Bruder Alexander, der damals die Beine in die Hände nahm und ihn seinem Schicksal überlassen hatte. Wir konnten es selbst kaum glauben. Oh, er hat sich gar nicht mehr eingekriegt und ich konnte nur noch lachen, weil ich mich noch gut daran erinnern konnte, dass ich dem Kirschdieb einen meiner Gummistiefel hinterher schmiss – ich kam gerade aus dem Kuhstall – und Klein-Robert am Kopf traf.

Wenn uns damals einer gesagt hätte, was sich neckt das liebt sich und irgendwann wären wir Mann und Frau, dem hätten wir sonst was an den Kopf geworfen… und ich vor allem meinen Gummistiefel. Dabei ist es heute so, dass wir verheiratet sind, unser kleiner Fratz nebenan endlich schlummert und wir hoffentlich eine gemeinsame, rosige Zukunft miteinander haben werden. Vor fast einem Jahr kamen wir (das erste Mal) zusammen. Unser Trip nach Verona!!! Ach, mir kommt es so vor, als wäre es erst gestern gewesen. Ich blättere immer wieder gerne in meinem Verona-Fotoalbum rum. Robert hatte ständig die Kamera im Anschlag und ständig irgendwelche Fotos geschossen…


Oh Gott, was für Bilder! Das ist wirklich lange her.

Mein letzter Schlaf liegt auch schon etwas länger zurück, Valentina hielt mich die Woche ganz schön auf Trapp, also bis bald…
Deine

Samstag, 26 November 2011 [Woche 7]
by XShipper

wir hatten Jahrestag! Das scheint alles schon so lange her zu sein, dabei passierte es erst vor einem Jahr. Unglaublich, was innerhalb dieser Zeit alles passiert ist. Viel Gutes, aber auch viel… hm, nicht unbedingt Schlechtes, aber eben Dinge, die unglücklich gelaufen sind. Als Robert und ich vor ein paar Tagen stilecht bei Carlos draußen gefeiert haben, saßen wir zusammen auf der Terrasse und ließen die vergangenen Monate Revue passieren.



Mein Liebesausflug mit Markus ist natürlich eine Sache gewesen, über das wir uns unterhielten, auch dass ich mein vermeintliches Seelenheil in dieser Beziehung suchte, aber am meisten brach es mir das Herz, als wir über unser gemeinsames Kind sprachen, dass nie die Chance hatte, das Licht der Welt zu erblicken. Ich kuschelte mich an Robert, und zusammen blickten wir hinaus auf die mediterrane Ebene bei bestem Wetter, und wie im Flüsterton erzählte er mir von „Pünktchen“ und seinen Vatergefühlen. Das war der Name, den er dem kleinen Punkt auf dem Ultraschallbild insgeheim gegeben hatte. Herzerweichend, oder? Man mag es ihm nicht unbedingt ansehen, aber er ist ein sehr anhänglicher Mensch.

So übermannt von Gefühlen fragte mich mein Ehemann, ob ich bereit wäre, das Ehegelöbnis zu wiederholen, nachdem bei unserer Hochzeit alles in Schall und Rauch unterging. Das sollten wir wirklich. Ich hab ja gesagt – und irgendwie war es wie im Sommer, als er mich gefragt hatte, ob ich seine Frau werden wolle. Robert ist halt ein wilder Romantiker! Ah, dafür liebe ich ihn.

Da man aber nicht ewig auf Wolke 7 schweben kann, sondern das Leben weitergeht, gab es die Woche über nur allerlei Langweiliges und Monotones zu erledigen – Tests bei Debby sowie der tägliche Massenandrang im Restaurant und für mich mal wieder Ämtergänge. Mir scheint, als würden die Mühlen hier in Italien noch langsamer als in Deutschland mahlen. Mein großer Bruder, Beschützer und Begleiter seit Kindestagen, war von seinem Hof abkömmlich und begleitete mich von Pontius zu Pilatus. Ganz ehrlich? Der hatte nur Sorge, dass mich ein feuriger Italiener auf einen heißen „Latte“ einlädt, sobald ich alleine unterwegs bin. Ich bin doch schon groß! Aber so sind Brüder. Und über die Gesellschaft war ich letztlich bei der vielen Warterei dann doch froh. Gemeinsam lässt sich auch so ein Wörterbuch schneller durchblättern… nein, eigentlich nicht wirklich, aber so hat man mit den Bürokraten mehr Spaß.

Nun denn… der Advent steht vor der Tür, auch in Verona wird es allmählich weihnachtlich. Ich freu mich richtig. Vor allem auf den Weihnachtsmarkt, der seit Tagen hier aufgebaut wird. Und passender Weise ist es ein traditioneller Nürnberger Weihnachtsmarkt – ein Stückchen Heimat. Wie er Valentina gefallen wird, darauf bin ich schon sehr gespannt. Geschenke muss ich auch noch kaufen. Da fällt mir ein, dass ich noch den Gutschein vom letzten Weihnachtsfest, das wir bei den Sonnbichlers feierten, habe. Den konnte ich bisher noch gar nicht einlösen. Wie war das noch gleich mit „auf Wolke 7 schweben und sich nochmal das Ja-Wort geben?“ Nur wir 2, das wär’s doch!!!

Jacob hat vorhin ein paar Tannenzweige mitgebracht, daraus werde ich jetzt mit der Prinzessin als kleine Helferin für das Restaurant und für zuhause weihnachtliche Gestecke als Tischdekoration basteln…

Deine