Verona Diaries - News


Wenn der Fantag nicht gewesen wäre... ja, das denkt sich grad eure "Verona Diaries"-Autorin, die gestern Nacht noch mit Eumeline die ganzen Fantag-Eindrücke für euch zusammenstellen wollte. Aus, Schwarz, Nichts! Das war allerdings die Reaktion des Rechners! Bedauerlicher Weise muss diese technische Katastrophe erst einmal geklärt und hoffentlich repariert werden. Bis dahin bleiben Eva und ihre Angehörigen auf der Flucht vor Curt Heinemann! Wir bitten um euer Verständnis!

Montag, 20.05.2013 [Woche 82]
by XShipper   
Das Unwetter    



Liebes Tagebuch,

du bist neu, obwohl ich gar kein neues Tagebuch haben wollte. Zumindest hatte ich es eigentlich nicht vorgehabt. Aber nun bist du da und musst leider einen immensen Verlust kompensieren. Deinen Vorgänger habe ich verloren – wahrscheinlich ist das der zu zahlender Preis, den man bei einer Flucht hinnehmen muss. Aber mehr Sorgen bereitet mir der Gedanke, dass ich es gar nicht verlor, sondern...

Aber wer weiß das schon. Schließlich war es ein Notruf unsere Freunde, dass wir Zuhause dringend gebraucht werden, wir mehr oder weniger in einer Nacht- und Nebelaktion wieder unsere Koffer packten und zurück nach Verona fuhren. Denn dort gab es mehrere Tage lang schwere Hagelstürme, die schließlich unsere Terrasse verwüsteten wie auch das Restaurant-Schild zerstört hatten – und damit wussten sie nicht umzugehen. Na ja, somit sind wir wieder hier... daheim! Und ich muss gestehen, irgendwie bin ich auch erleichtert wie auch glücklich darüber, wieder in den eigenen vier Wänden zu sein.

Ins alte Tagebuch hatte ich eine Vielzahl an Ereignissen und Geschichten geschrieben... und eben auch alles, was wir in den letzten Wochen auf unserer Flucht vor diesem Curt Heinemann erlebt hatten. Aber ich glaube, das kann ich nicht alles wiederholen – es tut mir sehr leid. Aber was weg ist, ist weg und dem hinterher zu trauern, wäre unnütz.

Andere Auffälligkeiten, Schattenmänner oder Dubioses gab es laut unsere Freunde während unserer Abwesenheit nicht, so wollten wir bei Ankunft unsere volle Aufmerksamkeit der Reparatur und den Aufräumarbeiten widmen... allein, denn Jacob und Debbie fuhren weiter durch zu ihrem Hof als wir die Stadtgrenze vom Norden her erreichten. Als wir schließlich ankamen, fluchte Robert schon hinter dem Lenkrad, da er seine Mannschaft bereits mit dem kaputten Leuchtschild hantieren sah. Ich dachte mir, ich lasse ihn lieber rumwettern und gehe stattdessen hoch. Daher schnappte ich mir Valentina und ein paar Taschen, die ich tragen konnte.

Ein wenig mulmig war mir schon zumute, da ich die Tür zur Wohnung allein und gegebenenfalls wehrlos öffnete – im Flur hätte ja schließlich mein Widersacher lauern können. Aber Valentina drängelte just in dem Moment und schob sich durch meine Beine vor. Diverse Schauervorstellungen schossen mir durch den Kopf, doch als ich den Schlüssel umdrehte und die Kleine bereits voran preschte, waren alle Bedenken wie weggeblasen. Nichtsdestotrotz ging ich durch jedes Zimmer und vergewisserte mich lieber, dass niemand sonst hier war.

Nur als ich mich wieder umdrehte und zurück in den Flur ging, weil da noch die Taschen lagen und die Tür offen stand, entfuhr mir ein Aufschrei und ein Wahnsinnsschrecken zog durch meinen ganzen Körper wie ein donnernder Blitz. Ich hatte gedacht, wie wären alleine. Wenn ich die Tür geschlossen hätte, wäre er nicht so lautlos in die Wohnung gelangt. Plötzlich stand er hier oben direkt vor mir und blickte mich böse an.

Vermutlich hätte ich wie am Spieß gebrüllt und nach Robert gerufen, doch selbiger stand ja bereits direkt vor mir. Manchmal könnte ich meinen Mann verfluchen. Gott! Als ob der Schreck nicht schon genug gewesen wäre, musste ich mir auch noch eine Standpauke von ihm anhören, wieso ich so leichtsinnig alles offen ließ. Mürrisch, wie er in dem Moment drauf war, marschierte er dann an mir vorbei und gleich zur Terrasse, an deren gesplitterte Glastür er schließlich innehielt. Es sah fast so aus, als hätte ein Tornado gewütet.

Da standen wir also – beide auf unsere eigene Art bedröppelt und trübsinnig. Er sah zu mir und schweigend versuchte ich, seinen Blick standzuhalten und ihm stumm resignierend mitzuteilen, dass mir das mit der Tür leid täte. Er lächelte daraufhin seinerseits entschuldigend und meinte nur: „Von einer Katastrophe in die nächste, was?!“ Unbeirrt von all dem rauschte Valentina plötzlich hinter uns entlang – völlig aufgedreht und fröhlich. Für die nächsten Tage war für uns immer noch Zwangsurlaub angesetzt und stets hatten wir eine Art Wachmann – ein stämmiger Kerl von Debbies Studentengruppe, der mithilfe der zusätzlichen Euros seine aktuelle Studiengebühr bezahlen konnte – zu meinem Schutz vor unserer Tür, damit wir die Verwüstungen noch in Ruhe reparieren konnten. Obwohl wir so weit oben wohnten, war Robert nicht wohl bei dem Gedanken, dass zig Tage und quälend lange, vor allem aber kalte Nächte nur eine einfach befestigte Plane zwischen unserem Wohnzimmer und der Terrasse hing. Für Valentina wurde zwar ein Laufgitter davor befestigt, aber meinem Mann plagten Horrormärchen davon, dass irgendwer dennoch an der Außenfassade rauf geklettert kommen könnte und dann einen rechten einfachen Zugang direkt in unser Apartment hätte. Diese Vorstellung fand ich hingegen utopisch. Mich störte eher der Wind, der gegen die Plane preschte und die durch die losen Enden pfiff... da halfen auch diverse Flickereien mit Klebebänder nichts. Für den Mai war das Wetter dieses Jahr sehr ungestüm und alles andere als warm. In manchen, nicht allzu fernen Gegenden fiel sogar wieder Schnee und der ständige Regen setzte sich aufs Gemüt und drückte zusätzlich auf diese angespannte Stimmung.

Nach über einer Woche wurde endlich unsere neue Balkontür angeliefert. Die Lieferkosten waren horrende und Robert fand sie unverschämt, zumal die Montage noch zusätzlich bezahlt werden sollte. Aber für eine Onlinebestellung war ich froh, dass diese Expresslieferung überhaupt möglich war. Eigentlich stand in der Artikelbeschreibung was von einer Wartezeit von bis zu 3 Wochen. Leider war dieses Kontor das günstigste, was dazu noch gute Qualität anbot – ich bestand auf hervorragende Wärmedämmeigenschaften und Aushebel- wie Zuschlagsicherungen (im Hinblick auf Valentina und wenn die Tür nur Kippstellung auf sein sollte). Dennoch machten Robert die Kosten für all das zu schaffen und mit der Flucht waren das tiefe Griffe in unsere Portemonnaies.

Als wir an jenem Abend gemeinsam auf der Couch saßen und das Kaminfeuer leise knisternd vor sich hin loderte, verriet mir mein Mann seine finanziellen Sorgen. Ich fragte ihn, ob die Schäden, die die Unwetter sowohl dem Restaurant als auch uns direkt zufügten, nicht die Versicherungsunternehmen übernehmen würden. Er winkte jedoch nur ab und gab kleinlaut zu, dass irgendwie die Policen nicht mit dem unsrigen Schutzniveau korrespondieren. Nach seiner Meinung würden wir von den Assekuranzen in beiden Schadensfällen kein Geld sehen. Denn der eine Versicherer schloss gewisse Schäden im Kleingedruckten aus und bei der anderen Versicherung weiß er nicht, ob die vereinbarte Deckungssumme hierbei ausreicht. Im ersten Moment wusste ich nicht, wie ich auf diesen Pessimismus reagieren sollte, aber so ganz wollte ich mich mit seiner Einschätzung der Lage nicht zufrieden geben. Insgeheim vermutete ich, dass es ihm lediglich vor dem immensen Papierkram graute. Aber bis der erst einmal erledigt wäre, würde es seine Zeit dauern, schließlich sind die Italiener ein gemächliches Völkchen, die mit dem Geld eh so ihre Probleme haben. Selbst für die Zwischenzeit würde es unmöglich werden, an einen kleinen Kredit dranzukommen. Ok, hier musste ich ihm zustimmen, dass es finanziell eng werde würde und wir als Familie den Gürtel enger schnallen müsste.

Für mich hieß das, dass ich so schnell wie möglich wieder meinen Dienst aufnehmen musste und der Zwangsurlaub vorbei war. Robert wollte beim Einkauf noch konkreter kalkulieren und nur das Nötigste ausgeben. Natürlich hatte ich auch die Idee, ob eine Anfrage bei unseren Eltern nicht schaden könnte, aber ehrlich gesagt wollte sich Robert diese Blöße nicht geben und er bat mich nach einer hitzigen Diskussion auch, Gustl diesbezüglich nichts zu sagen. Sein Stolz stand ihm selbst im Weg, wenn ihm doch gleichzeitig das alles so sehr plagte. Ich ließ ihn allein auf der Couch zurück und zog lieber schnaufend die Decke über den Kopf, als ich in das große, leere Bett fiel. Als er nach einer gefühlten Ewigkeit hinzukam, stellte ich mich schlafend. Tja, manchmal sind wir eben so.

Die einzig Leidtragende wird aber unser Muckel sein, die bald Geburtstag hat. Vielleicht lässt sich ein Kindergeburtstag im Kindergarten mit all ihren Freunden organisieren, oder doch eher eine kleine Feier nur mit der Familie? Was wäre günstiger? Und vor allem was schenkt man so einem kleinen Knirps, der nach allem greift, was bunt ist und für Kinderaugen interessant aussieht und sich dann lieber heulend auf den Boden wirft – Prinzessin hin oder her –, wenn Mami es zurück ins Regal stellt oder Papi wieder beiseite legt. Oh je, das kann ja heiter werden...

Deine