Sonntag, 11 März 2012 [Woche 22]
by XShipper
Kleine Überraschungen des Alltags

dass ein erwachsener Mann so anstrengend sein kann, hätte mir vielleicht jemand vorher erzählen sollen. Auch wenn Robert seinen besten, herzerweichendsten Blick aufsetzte, damit ich ihn betüddel, so bin ich doch sehr froh, dass er nun wieder gesund ist. Zum Glück hatten noch keinen Hund in dieser Woche, ich weiß echt nicht, wie ich das sonst ohne Schäden unter einen Hut hätte bringen sollen. Und ich hoffe, dass die nächste Erkältung auch eine ganze Weile auf sich warten lässt. Meine zwei kleinen Bälger hielten mich die Woche also ganz schön auf Trapp. Denn auch Valentina hat nun den Dreh raus wie sie aus ihrem Bettchen klettern kann. Die Gitterstäbchen konnten sie nicht mehr aufhalten, so dass sie nachts im Dunkeln an unserer Decke zupfte und unbedingt bei uns schlafen wollte. Beim ersten Mal jagte sie uns damit einen Schrecken einen – aber da Robert noch nicht ganz über dem Berg war, weinte sie noch eine ganze Weile, als ich sie doch wieder zurück in ihr Zimmerchen bringen musste.

Uns brach es das Herz, aber wir beschlossen, ihr alsbald ein neues Kinderbett zu kaufen und sie in der erstbesten Nacht bei uns in der Mitte schlafen zu lassen, sobald Robert wieder gesund war. Als es soweit war, saßen wir zusammen in unsere Decken gekuschelt und erzählten unserem Spatz eine neue Geschichte von Romeo und Julia, dem Waschbären und der Häsin. Bei unserer Vorführung mit den Handpuppen, die sie zu Weihnachten bekommen hatte, quickte und gackerte sie – ich liebe ihr Kinderlachen!



Es war wirklich wunderbar, sie die Nacht über bei uns zu haben. Und mir fiel auf, dass das bisher noch gar nicht so oft vorgekommen war – was eigentlich schade ist. Ich konnte meine beiden Rabauken stundelang dabei beobachten, wie sie friedlich träumten… Vater und Tochter, ich schmolz dahin.

Ich war dadurch so gut drauf und steckte voller Tatendrang, dass ich das schöne Verona-Wetter nutzte, um eine weitere Episode für das neue Kinderbuch zu zeichnen und meine Emil-Geschichte weiter zu übersetzen. Mittlerweile trau ich mir das mit meinen Italienischkenntnissen sogar allein zu, ohne auf Debbys Hilfe angewiesen zu sein – sie liest jetzt nur noch zur Kontrolle, falls ich doch kompletten Käse schreiben sollte. An der Piazza Brà saß ich in einem der vielen Cafés – wenn mich nicht alles täuscht, war es das gleiche wie damals, als Robert und ich zum ersten Mal ganz verliebt durch Verona schlenderten –, und genoss einen Cappuccino. Valentina saß in ihrem Kinderwagen und verzückte unsere Sitznachbarn.

Ich war so vertieft in die Geschehnisse rund um Emil und driftete irgendwie zurück in die Vergangenheit. Ich erinnerte mich an die Abenteuer, die ich mit meinen Esel erlebt hatte, als wir noch am Fürstenhof wohnten. Und dann geschah es… ich weiß nicht wie… vielleicht war es der Fürstenhof selbst, der die bösen Erinnerungen wach rief. Es wimmelte von Touristen auf dem Platz, so dass ich eigentlich nur Menschenmassen sah. Aber genau in diesem ganzen Pulk hatte ich das Gefühl, SIE zu sehen. Eigentlich dachte ich, ich hätte das Thema hinter mich gelassen, nachdem nun die anderen davon wussten. Aber nur darüber zu reden, milderte mein Problem anscheinend nicht.

Ihr Anblick hatte mich jedenfalls so dermaßen erschreckt, dass ich meine Sachen in die Tasche schleuderte, schnell ein paar Euros auf den Tisch warf und mich bei den anderen zig Mal entschuldigend Valentina von ihnen fortriss. Ich rannte mit dem Kinderwagen voran nach Hause… ich wollte nur noch weg. Es ist irrsinnig – das rede ich mir zumindest immer wieder ein. Ich meine, Barbara ist doch tot! Sie sollte es jedenfalls sein.

Robert war zum Glück zuhause. Er wollte die Küchenübergabe mit Carlos regeln und hatte sonst noch einige Dinge zu erledigen, bevor er seine Arbeit nach seiner Krankheit wieder in der Küche als Chefkoch aufnehmen konnte. Gerade war ich zur Tür reingekommen und wollte ihm von meinem Kummer berichten, da geschah etwas Magisches!

Das Radio dudelte im Hintergrund und in dem Moment kündigte der Moderator ein ganz besonderes Lied für eine ganz besondere Frau an, von der man hoffte, sie würde es nun hören. Alles, was ich eigentlich erzählen wollte, war vergessen. Und auch Valentina guckte ganz verdutzt, wieso wir alle innehielten und die ganze Hektik, die sie bis eben noch im Wagen durchgeschüttelte hatte, wie weggeblasen war. Sie war still, Robert sagte nix und ich war wie versteinert, nur aus den Boxen der Anlage heraus drang unser Lied!

Wir sahen uns an und er nahm mich in die Arme! Ich schniefte und war irgendwie überwältigt. Es ist zwar nur eine kleine Geste, und doch für mich war sie die größte Aufmerksamkeit, die mir Robert gerade in dieser Situation schenkten konnte.

Als ich mich wieder von ihm löste, lauschten wir den letzten Klängen zu „When you say nothing at all“. Robert wollte sich dafür bedanken, dass ich ihn gesund gepflegt habe und rief extra beim Sender an, damit sie dieses Lied spielen mögen. Nur wusste er nicht, wann sie es bringen würden, also hatte er versucht, mich anzurufen, um zu fragen, wann ich denn nach Hause käme. Aber durch das Gerenne durch Veronas Straßen habe ich seine Anrufe nicht gehört. Und doch stand ich nun hier, genau zur rechten Zeit.

Tja, was für eine Aufregung, was?

Deine