Verona Diaries - News


Wenn der Fantag nicht gewesen wäre... ja, das denkt sich grad eure "Verona Diaries"-Autorin, die gestern Nacht noch mit Eumeline die ganzen Fantag-Eindrücke für euch zusammenstellen wollte. Aus, Schwarz, Nichts! Das war allerdings die Reaktion des Rechners! Bedauerlicher Weise muss diese technische Katastrophe erst einmal geklärt und hoffentlich repariert werden. Bis dahin bleiben Eva und ihre Angehörigen auf der Flucht vor Curt Heinemann! Wir bitten um euer Verständnis!

Montag, 17.06.2013 [Woche 86]
by XShipper   
Sommer in Verona    



Liebes Tagebuch,

Wie ich frisches Obst liebe – saftig, aromatisch, leuchtend in der Farbe und auf der Zunge zergehend. Ich kann mich nicht verwehren: ein frischer Obstsalat und meine Welt ist schön! Dabei sind das in der Schüssel, die Valentina und ich hier auf der Terrasse leer putzen, nur die Reste von Roberts Experimenten. Die letzten Tage seiner Krankschreibung verbringt er dennoch in Accordarbeit in unserer Küche und tüftelt ohne Unterlass an Ideen für seine Karte. Zurzeit es ein Dessert.

Seitdem der schwarze Tod ihm den letzten Lebenshauch nehmen wollte, sprüht er nur so vor Energie, Tatendrang, aber auch Wehmut. Vor ein paar Tagen saßen wir abends zu zweit auf der Couch, kuschelten uns aneinander und genossen die Wärme des jeweils anderen. Da philosophierte er tief in seiner Gedankenwelt vergraben vor sich hin, wie schnell es mit ihm hätte vorbei sein können und er wäre der felsenfesten Überzeugung, dass ihn Miriam da oben noch nicht bei sich haben wollte, sonst hätte sie ihm sicherlich die Hand gereicht. Wenn es so gekommen wäre, hätte ich vermutlich eigenhändig meinen Mann wieder zurück ins Leben gezerrt – manchmal soll eine verzweifelte Frau wahre Wunder bewirken können. Aber zum Glück ging alles gut. Er gestand mir jedoch, dass sie ihm schon einmal erschienen wäre – und ich lauschte gebannt zu, ganz starr vor Faszination und Furcht zugleich.

Er war verzweifelt gewesen, von Schuldgefühlen geplagt. Er fühlte sich wieder im Leben angekommen, nachdem er solange um seine Miriam getrauert hatte. Eine neue Liebe bahnte sich unaufhörlich und mit aller Gewalt einen Weg in sein Herz und drohte ihn, vollkommen einzunehmen und – davor hatte er am Meisten Angst – womöglich sie zu vergessen. So sehr er auch wieder von vorne anfangen wollte, wurde ihm doch schmerzlich bewusst, dass der Weg für Miriam ein jähes Ende gefunden hatte und sie die Schönheit dieser Welt und ihrer gemeinsamen Tochter nicht mehr miterleben würde. In einem Moment, in dem alles auf ihn erneut einzustürzen drohte, weil er glaubte, dieses frische, zart blühende Glück stünde ihm nicht zu, sah er sie im leuchtend blauen Himmel und vernahm ihren Segen im warmen hauch des Sonnenscheins.

Damals schon ließ sie ihn gewähren und vor ein paar Tagen im Krankenhaus war sie es erneut, die ihn voran scheuchte – stets mit einem Lächeln auf dem Gesicht, so wie er sie kannte und für immer im Gedächtnis behalten würde. Ich verstand, dass ich Miriam meinem Mann zu verdanken hatte… ein weiteres Mal. Mir schossen Tausend Gedanken durch den Kopf, aber gleich darauf verdrängte ich sie wieder, denn nie im Leben möchte ich je in die traurige Situation kommen, in der ich an ihrer Statt wäre. Die Jahre vergehen sowieso schon wie im Fluge und ich wünsche mir natürlich einen ruhigen Lebensabend an Roberts Seite. Aber ich will mir nicht ausmalen, wie es ist, wenn einer von uns für immer geht und den anderen zurücklässt…. und dass gar noch vor unserer Zeit.

Ich schickte von Herzen kommend ein Stoßgebet gen Himmel und blickte in die endlos tiefen Augen jenes Mannes, dem erneut eine Chance gegeben wurde. Seitdem kann er es nachts gar nicht mehr erwarten, morgens wieder aufzustehen und seiner sprudelnden Kreativität freien Lauf zu lassen. Und dieses Obst hier offenbart auf herrlichste Art und Weise, was für wundervolle Geschenke uns Mutter Natur bereithält. Ich liebe süße Mangos, reife Erdbeeren, knackige Weintrauben, saftige Melonen jeglicher Art und und und und dann noch dieser Honig und die selbst geschlagene Sahne… unsere Schüssel war voller Früchte des puren Lebens, nun aber ist sie leer! Oh weh. Ich denke jedoch, von Robert werden wir nicht mehr bekommen, den Rest braucht er alles selbst. Valentina weiß das auch und schmollt dennoch.

Nach ein paar Minuten lautet ihr aktuelles Motto der Stunde anscheinend „mit vollem Magen spielt es sich besser“ und sie huscht durch die Glastüre hinein in die Wohnung. Es dauert eine Weile, dann kommt sie mit allerhand Krempel unter’m Arm wieder und breitet ihr Spielzeug auf dem von der Sonne aufgeheizten Boden aus. Die Prinzessin ist sich nicht zu fein, mit sich selbst zu beschäftigen. Ihre Lieblingsspielkameradin, die um die Ecke wohnt, ist leider zurzeit mit Ihren Eltern im Urlaub, sonst wäre sie sicherlich jetzt unten toben oder auf dem Spielplatz. Aber mir gibt es die Gelegenheit, sie bequem sitzend beobachten zu können, während ich im Kopf noch einmal die letzten Ereignisse durchgehe, die sonst noch so passiert waren. Und Tatsache, da gab es eine Sache, die mich rätseln ließ, was in aller Welt jetzt schon wieder am Fürstenhof vor sich geht. Ich denke immer gern an dieses edle Hotel zurück – wenn ich die schrecklichen Erlebnisse drum herum geschickt außen vor lasse. Schade nur, dass wir nicht mehr direkt vor Ort sind. Da gibt es schließlich jeden Tag aufs Neue Überraschungen und plötzliche Erscheinungen von Personen, die man entweder längst vergessen oder willentlich verdrängt hatte.

Ich schmunzle, erging es mir doch nicht anders. Alles dort erscheint zufällig, aber jedes Detail fügt sich wie ein Puzzleteil zusammen, das alle Personen dort miteinander verbindet. Klar, der Fürstenhof liegt in der Nähe eines kleinen Dorfes, doch hinter dieser Drehtür erstreckt sich eine vollkommen eigene Welt. Ach, ich fand sie magisch, immer hektisch, nie stillstehend und irgendwie märchenhaft. Ein Urlaub dort wäre schön… aber auch einfach nur ein paar der Leute von dort wieder zu sehen, wäre mal eine willkommene Abwechslung.

Wieso mir das wieder in den Sinn kommt, nachdem wir doch hier in Verona so heimisch geworden sind? Na eben dieser eine Anruf, von dem ich dir die ganze Zeit eigentlich erzählen will. Denn mich lässt der Gedanke nicht locker, wieso Hildegard ausgerechnet ihrem Alfons vorgaukelt, sie wäre bei ihrer Schwester hier in Italien? Was bitte ist denn da vorgefallen? Gustl klingelte aus unserem Alltagstrott, machte mit dem ständigen Gebimmel, weil er jedem Bisschen erneut anrief, Robert ganz fuchsig, dass dieser fast seine neu kreierte Soße vor Schreck fallen ließ, als das Telefon zum gefühlten 100. Mal schrillte! Während ich dann versuchte, irgendetwas von den wirren Einzelheiten, die mein Vater versuchte zu schildern, zu verstehen, fluchte mein Mann mit dem Kochlöffel in der Hand – das lenkte wiederum Gustle ab und er schweifte vom Thema zu irgendwelchen Bibelweisheiten, die klarmachen sollten, wie schädlich diese Flucherei doch sei. Wenn er es nicht am anderen Ende der Leitung gewesen wäre und wir uns eh keine Neuanschaffungen zurzeit leisten können, hätte ich vermutlich den Hörer über den Jordan befördert. Jetzt bin ich selbst ganz verwirrt, wo war ich? Genau, mein Vater, wollte von mir, dass ich lüge! Fluchen ist verboten, aber Lügen erlaubt? Als ich das begriff, war ich irritiert und glaubte meinen Ohren nicht. „Wenn der Alfons anruft, ist Hildegard gerade weg!" befahl er mir mit eindringlicher Stimme, als hinge davon der Weltfrieden ab. Ich vermutete stattdessen den Haussegen bei den Sonnbichlers. Jedoch brauchte ich mir meine Weste nicht beschmutzen – Alfons selbst war nie am anderen Ende der Leitung. Obwohl ich ihn viel eher und auch lieber gesprochen hätte.



Der Ausklang der Woche ist nun weithin vernehmbar und schallt musisch durch alle Gassen Veronas bis über das Dächermeer hinweg – die Festspiele zur 100. Jahrfeier zu Ehren des großen von Giuseppe Verdi laufen gerade. Und so gibt es einen weiteren Grund all den wirren, schweren Gedanken abzuschwören und sie zumindest für eine kurze Weile zu vergessen. Wir haben Tickets für die heutige Abendveranstaltung – schon vor einer halben Ewigkeit ergattert – und ich bin schon so gespannt. Vorher muss ich noch Valentina bettfertig machen, dann Robert aus dem Bad scheuchen, der sich soeben da hinein begibt, und mich anschließend in Schale werfen. Die Arena di Verona ist ein antikes, gut erhaltenes römisches Amphitheater mit hervorragender Akustik und steht dem Kolosseum in Rom im Nichts nach. Ich muss nur eine passende Abendgarderobe mit nicht allzu hohen Absatzschuhen finden, um die grob gehauenen 45 Zentimeter hohen Stufen elegant hochzukommen, sonst darf mich Robert entweder auf Händen tragen oder gar ins nächstgelegene Krankenhaus bringen.



Doch, das wird wunderbar… heute ist so ein schöner, warmer Sommertag. Die Sonne strahlt selbst tiefstehend noch kräftig und zaubert den Himmel am Horizont in ein leuchtendes Violett… dazu noch gute Musik und das Kribbeln im Bauch, welches ganz sicher nicht nur von den Lautsprechern verursacht werden wird.

Deine