Sonntag, 03 Juni 2012 [Woche 34]
by XShipper
Überraschungsbesuch



was für eine Woche. Ich kann es noch gar nicht fassen, was alles passiert ist. Zuerst die vielen Erdbeben hier in Italien, die irgendwie nicht weniger wurden, daraufhin die Absage meiner Lesereise und plötzlich steht Roberts Bruder mitsamt Anhang vor der Tür. Wenn ich letzte Woche wirklich gefahren wäre, hätte ich sie ja glattweg verpasst. Aus all dem Unglück wurde somit doch noch was Gute daraus, das war echt eine schöne Überraschung.



Alexander war in Sorge, ob es seinem kleinen Bruder auch gut ginge, und spontan flogen sie nach Verona, um sich persönlich davon zu überzeugen – am Telefon konnte Robert vergeblich noch so viel erzählen, dass wir ok seien. Aber nicht nur das, denn sie wollten auch helfen!

Naja, zumindest war der Wille da, doch da haben sie wiederum den sturen Willen meines Mannes vergessen. Sobald Robert seine Halb-Schwester im Türrahmen erblickte, wurde sie fortan in Watte gepackt und durfte sich praktisch nur noch mit Erlaubnis von der Couch erheben! Lauras Schwangerschaft zeichnet sich bereits deutlich ab, also packte ihn irgendwie auf skurrile Weise der Beschützerinstinkt. Alexander meinte zwar, Robert würde Laura zu sehr verwöhnen und beschützen wollen, aber nach einem langem Gespräch unter Mädels, in dem sie und ich darüber sprachen, ob und inwieweit mein Mann die damaligen Ereignisse um meine Fehlgeburt verarbeitet hätte, ließ sie ihn ohne Anstand gewähren.



Nur wenn unsere Männer in der Küche des „12 Apostoli“ Carepakte für die Menschen in Medina zusammenstellten, konnte sich auch Laura endlich nützlich machen – zusammen organisierten wir per Telefon die Lieferungen. Sie ließ Alex‘ Kontakte spielen und gemeinsam tippten wir uns die Finger wund; die Gespräche mit den Italienern direkt führte ich.

Ein paar Tage Erholung waren aber auch drin, sodass wir entweder bei bestem Sonnenwetter gemeinsam durch Verona bummelten oder ich Laura und ihre Große mitnahm zum Kindergarten, in den Valentina geht. Meine Kolleginnen waren sofort vom Babybäuchlein der werdenden Mutter angetan und plötzlich war sie nicht nur von entzückten Frauen sondern auch noch neugierigen Kindern umzingelt. Es wurde viel gelacht und auch versucht, Laura davon zu überzeugen, hier zu bleiben, damit eines Tages der kleine Wonneproppen in unseren Kindergarten gehen könnte.

Oh man, das wär’s doch – mein Bruder, wir, sein Bruder… alle hier. Wir wären eine richtig große Familie. Aber das ist nur Wunschdenken, denn die Realität sieht nun mal so aus, dass Alexander ein erfolgreich laufendes Hotel führt und Laura mit ihren Pralinen einen hervorragenden Markt in Brüssel besetzt. Ob sich das in Verona so einfach wiederholen lässt, ist fraglich.

Aber solange sie hier sind, genießen wir die große Runde. Abends wuseln wir als Horde in der Küche rum, welches Laura immer an das schmetterlingshafte Baby-Gefühl in ihrem Bauch erinnert, oder wir gehen runter ins Restaurant und lassen uns von Robert kulinarisch verwöhnen. Außerdem höre ich beiden gerne zu, wenn sie was erzählen – so meinte Alex vorhin, als er sah, wie ich deine noch verbliebenden Seiten vollschreibe, dass Charlotte auch als junge Frau ein Tagebuch führte… mit allerhand spektakulären Geheimnissen, von denen er mir berichtete. Da ulkte er rum, ob in dir auch schon was ganz Geheimes drin stünde. Wer weiß, was ich die nächsten Tage noch auf deine paar Blätter schreibe.

Laura hat übrigens feinste Schokolade auf dem Herd stehen; und sobald sie warm ist, will sie mir zeigen, wie ich Robert mit was Süßem verführen kann. Alexander hat schon die Augen verdreht, bevor er sich verabschiedete, um Robert von unten abzuholen, aber er wird nichts verraten – heute ist große Männerrunde bei Carlos, also haben wir die Küche ganz für uns allein. Die beiden Kinder werden aber auch noch eine kleine Weile mitmanschen dürfen. Und wie ich meine zwei linken Hände kenne, wird das demnach das reinste Schlachtgetümmel.

Deine