Verona Diaries - News




Na, was haben wir denn da? Ab dem 13.08.2013 gibt es das Sommerspecial von Eva und Robert endlich auf DVD!
Hier könnt ihr euch ein Exemplar vorbestellen:

Weltbild.de

Sonntag, 21.07.2013 [Woche 89-92]
by XShipper   
Charlotte in Verona    



Wenn die ganzen Kunst-Utensilien nicht wären, die den Eindruck einer leichten Unordnung vermitteln und dabei in perfekter Konkurrenz zu so manchem Spielzeug stehen, über die man bei Nichtbeachtung gerne schon mal stolpert, dann würde ein Außenstehender eigentlich meinen, unser kleines Chaos zuhause wäre wohl geordnet. Leider liegt man damit äußerst falsch wie es das aktuelle Beispiel zu belegen vermag. So frage ich dich, liebes Tagebuch, wie du es nur immer wieder schaffst, Beine zu bekommen? Da suche ich und suche dich, wühle hier, kremple dort alles um, durchkämme sogar den Mülleimer, weil dort hinein zuletzt ein Haufen Kitschromane vom Nachtisch sowie Klatschblätter, die Debbie neulich vergessen hatte, gelandet waren. Nein, bitte, ja doch, ich gebe es hiermit feierlich zu: ich lese Liebesschnulzen. Ich weiß ja auch nicht, mich muss neuerdings diese Hausfrauenattitüde befallen haben. Mit dir erlebt man ja nun mal eine Menge. Dein Verschwinden bleibt mir jedoch rätselhaft, obwohl Robert eine Indizienkette angelegt und gar schon eine gewiefte, kleine Schuldige ermittelt hat, die vermutlich von ihrer unschuldig anmutenden Tat keine Ahnung hat. Zum Glück sind Kinder nicht schuldfähig. Aber dennoch versetzte mich diese panische Suchaktion wieder in einen Zustand innerer Aufruhr. Ich weiß, du bist nur ein Buch, aber mir geht es hier um das Prinzip.

Sei’s drum, ich habe dich ja wieder, sonst könnte ich diese Zeilen und meine Gedanken nicht niederschreiben, oder müsste mir erneut Ersatz anschaffen. Ich bin es aber Leid, ständig die Erinnerungen zu verlieren, die ich mit dir teilte. Und ganz gewiss sind da auch schöne dabei, die es wert sind, festgehalten zu werden, damit sie eben NICHT verloren gehen und man sie sich später durch das Lesen in dir wieder ins Gedächtnis rufen kann als wäre dies und jenes erst gestern geschehen. Natürlich ersetzt das Schreiben nicht komplett das Verarbeiten gewisser Ereignisse, da bedarf schon mal einen Gesprächspartner oder Leidensgenossen.

So wie Charlotte Saalfeld. Dass sie uns besuchte, war so wunderbar wie auch überraschend, aber es war so aufwühlend schön, jemanden von der Familie und vom Fürstenhof bei uns zu haben. Und meine Schwiegermutter, mit der ich die Zeit am Hotel über eine enge Bindung und Vertrautheit aufgebaut hatte, kam da gerade recht. Sie brauchte selbst Abstand und suchte ihr Seelenheil in der Flucht. Was für eine Ehre, dass sie diese ausgerechnet bei uns zu finden gesuchte. Und ich denke, sie sollte Recht behalten. Denn was sie und ich verbindet, ist der grausame schwarze Schatten purer Angst ums eigene Dasein. Machtlos gegenüber jemandem ausgeliefert zu sein, der nach deinem Leben trachtet und dich mitunter quälend langsam dahin siechen lässt, ist etwas, was du nur mit einem guten Psychiater teilen kannst oder eben mit jemandem, der genau wie du am Abgrund stand.

Wir hatten so einige Dialoge, fast im Flüsterton gehaltene Gespräche auf unserer Couch oder, wenn die Abende lau waren, auf der Terrasse, während wir in der Wohnung die einzig wachen Leute waren – Valentina lag meist schon sich kreuz und quer von oben nach unten im Tiefschlaf wühlend in ihrem Bettchen, Robert hatte alle Hände voll zu tun und vergrub sich praktisch in seiner Arbeit, was aber dem boomenden Touristenstrom zu verschulden war. Mit Charlotte im Beisein jedoch über alles reden zu können, brachte manchmal erschreckende Parallelen zutage, die sich bei uns ergaben, aber stellenweise war es auch so befreiend als würde man tonnenschwere Last direkt vom Herzen wegkatapultieren. Wir hatten unsere Dämonen, die uns bis in den Schlaf verfolgen konnten.

Selbst hier in Verona werde ich sie einfach nie ganz los, wie ich ihr gegenüber zugeben musste – schon gar nicht wegen diesem Curt Heinemann, der damals mit Barbara von Heidenberg gemeinsame Sache machte. Und ich gehe jede Wette ein, dass mich mein Gedächtnis nicht trog und dieser Handlanger wirklich hier in dieser bezaubernden kleinen Stadt sein Unwesen trieb. Bei Charlotte merkte ich von Tag zu Tag mehr, wie sie lockerer wurde und das Schicksal zu akzeptieren begann, auch wenn die Angst um sich selbst noch stets im Hintergrund wob. Jedoch hatte sie hier die Möglichkeit, unbedacht trauern zu dürfen… und das tat sie. Um es ihr dennoch leichter zu machen, das Leben zu akzeptieren und um wieder selbst anfangen zu leben, rissen wir sie komplett aus dieser Lethargie heraus und hinein in eine schillernd bunte, voller Kinderlachen gefüllte Welt von Gardaland.

Nebenbei erfüllten wir somit auch Valentina einen kleinen Wunsch, die uns seit Wochen damit in den Ohren lag, weil wir es bei unserer geheimen Mission vor ein paar Wochen leider nicht wagen konnten. Außerdem sollte es Enkelkind und Oma wieder mehr zusammenbringen. Denn man muss schon offen zugeben, dass sich beide seit damals nicht mehr gesehen hatten – wie schändlich – und das Gedächtnis unserer Kleinen dringend einer Auffrischung bedarf, wie es ist, eine Oma zu haben, die ihrem Enkelkind aber auch nichts abschlagen kann, wenn es mit den großen Kinderaugen klimpert.









Dieser Freizeitpark ist genau das Richtige für Kinder und so ganz anders wie all jene, die ich von Deutschland her kenne. Ein großes Areal davon und viele übrigen Attraktionen sind genau auf sie abgestimmt, um sie zu verzaubern, zu bezirzen und um sie in eine neue Dimension der Begeisterung eintauchen zu lassen. Dass dabei die Portemonnaies der Eltern oder Geldgeber das Nachsehen haben, ist anscheinend SO beabsichtigt. Und wenn so ein Knirps bockend zu Boden geht, weil es unbedingt das da will oder noch da rein will, gucken einen die anderen Familien ganz vorwurfsvoll an, man möge doch mal eine Ausnahme machen und dem Nachwuchs einfach jeden Wunsch erfüllen – dafür ist man doch schließlich im Gardaland. Genau dieses Drama sah man so gut wie vor jedem Shop oder Einlass irgendeiner Attraktion… und wir sollten da keine Ausnahme darstellen. Oh je, was wir mit Souvenirs wie mit en mas Spielzeug da nach Hause gingen, oh je. Aber es war der schönste Tag seit langem, und er war so voll gespickt mit Lachen von uns allen und jeder Menge Freude.



Als das Ende von Charlottes Aufenthalt bei uns nahte, luden wir unsere Freude zu einem ausgelassen Dinner ein. Gianni und die schon etwas rundliche Tiziana sowie mein Bruder mit Debbie kamen vorbei. Gerade diese beiden freuten sich augenscheinlich auch sehr, dass Roberts Mutter uns besuchte. Natürlich hatten auch Debbie und sie was gemeinsam – Papa zum einen und Liebhaber zum anderen namens Michael. Aber es schien Charlotte nichts auszumachen, über eine verflossene Liebschaft zu reden, obwohl gerade ihre andere große Liebe verstorben war. Ich glaube sogar, dass es ihr gut tat über jemanden etwas zu erzählen, für den sie auch einst Gefühle hatte und der – so makaber es vielleicht auch klingen mag – noch lebt. Aber Debbie telefoniert eben nur manchmal mit ihm, aber durch Charlotte bekam sie ein paar direkte Infos, was er so macht, wie es ihm geht, was ihn mitunter bewegt und wie es bei ihm mit der Liebe bestellt war.

Das Essen selbst war unbeschwert wie auch sehr gut und es ging recht munter, lustig zu. Wir hoben mehrmals die Gläser, aßen uns durch die Platten und befeuerten den Grill auf der Terrasse. Es war das letzte Mal, dass sich meine Schwiegermutter irgendwann zu mir nach draußen gesellte, mich anlächelte und dabei ganz großmütterlich in freudiger Erwartung kichernd fragte, nachdem sie auf Tiziana deutete, wann es denn bei uns endlich so weit wäre? Oh weh. Ich hatte gehofft, dem Thema aus dem Weg gehen zu können, denn was sollte ich bitte einer so gestandenen Frau erzählen? Ich sah das Leuchten in ihren Augen, die so voller Hoffnung waren. Nach all den schönen Tagen, an denen wir ihr unsere hübsche Stadt Verona zeigten und so viel Spaß im Freizeitpark am Gardasee hatten, sie ein Teil ihrer schweren Wehmut und Trauer verarbeiten konnte, kam nun der Moment.

Ich blickte seufzend zu Tiziana, die gerade mit Gianni und Robert zusammenstand und über irgendwas lachte, drehte mich wieder weg von diesem Anblick, um Charlotte direkt anzuschauen und sagte lediglich: „Wir sind zwar noch nicht so wie die beiden da drüben, aber wir sind dran!“ Und ich weiß nicht wieso, aber diese Auskunft reichte ihr. Eigentlich war sie praktisch nichts sagend, und doch war mir, als wäre die Mutter meines Mannes damit vollkommen zufrieden und gar glücklich. Sie lächelte anfangs und tätschelte meine Schulter. Als sie sich jedoch abwendete, um wieder reinzugehen, konnte ich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht ausmachen, was mich verwunderte. Ich stand noch eine Weile im lauwarmen Wind des Abends und grübelte. Als mir mein Glas Wein auffiel, an dem ich nur einmal genippt hatte, stellte ich dieses auf den nächstgelegenen Tisch und verließ die warme Nähe des Grills, in dem die Rest Asche noch vor sich hinglühte.

Seitdem weiß ich gar nicht recht, was ich denken soll, wie ich mich fühlen soll – und was zum Henker Charlotte mir damit sagen wollte… woah! Was denkst du?

Deine