Montag, 20.01.2014 [Woche 115]
by XShipper   
Valentina, die kleine Künstlerin    




Valentina war ganz begeistert und freute sich wie eine Schneekönigin! Und ich habe sie den ganzen Sonntagabend dann nicht mehr von den Buntstiften und Malheften wegbekommen. An ihrem Glitzern in den Augen konnte ich erkennen, dass etwas in ihr Klick gemacht hat. Dass ein kleines Bild, selbst eine einfache Bleistiftzeichnung, wenn es denn von Herzen kommt, die Schönheit der ganzen Kunstwelt dieser Erde durch sämtlicher Epochen beinhalten kann. Eben weil es Bedeutung hatte für den, der es schuf, wie auch für jenen, für wen es bestimmt war. Zumindest gehört das immer dazu, wenn man etwas kreiert. Man möchte damit etwas zum Ausdruck bringen, etwas von sich selbst reproduzieren und seine Gedanken wie Gefühle visualisieren. Was letztlich dabei zu sehen ist, obliegt dann lediglich dem Auge des Betrachters Man hofft halt nur, dass es Gefallen findet.

Der kleine Schneemann wurde zum Glück sofort zu Valentinas neuem Heiligtum und wir beschlossen, dass wir ihr dafür einen Bilderrahmen kaufen und es in ihrem Zimmer aufhängen werden. Die Zeichnungen, die sie an jenem Abend fleißig gestaltete – auf dem Kinderzimmerboden auf dem Bauch liegend, die Beine in der Luft baumelnd, scheinbar nicht müde werdend und angestrengt malte, während ihre Zunge zwischen ihren Lippen von ihrer Anstrengung zeugte – wollte sie dann auch unbedingt unter die Leute bringen. Für jeden, der ihr einfiel, versuchte sie was ganz Individuelles zu zeichnen und gab sich wahrlich ganz viel Mühe.

Als Robert später von Jacobs Hof zurückkehrte, um von dort frische Ware für sein Restaurant zu holen, kam seine Kleine ihn noch nicht mal stürmisch begrüßen, wie es sonst üblich war. Natürlich war er irritiert dadurch. Genau wie ich, aber so hatten wir einen Moment ganz in Ruhe für uns in unserem Flur, als ich ihn von seiner dicken, warmen Jacke befreite, und ich ihn auf meine eigene Weise willkommen hieß.

Bevor wir sie zusammen ins Bett brachten, saßen wir noch eine Weile mit ihr unten auf dem Boden. Viel Platz war da zwar nicht mehr, weil überall verteilt Blätter und Stifte rum lagen als hätte ein Wirbelwind gewütet, dennoch reichten wir einander die Zeichnungen weiter – quer durch den Raum, mal ums Bett herum oder darüber hinweg. Wie gesagt, allzu viel freier Raum war da nicht mehr. Valentina hatte mit saftig frischen, grünen Wiesen, strahlenden Sonnen wie Sonnenschein, jeder Menge flauschig blauen Wolken, bunten Regenbögen und allerhand Figuren die weißen Zeichenpapiere gefüllt. Auf manchen grinsten und winkten Abbildungen von Mutter, Vater, Kind oder Gestalten, die Erklärungen bedurften, auf anderen sah man Häuschen mit Ziegeldächern oder Bauten ähnlich eines Viehstalls, und nicht selten Tiere aller Art. Einige davon mit mehr als 4 Beinen oder knallbunten Fellen!

Und jedes ihrer Werke hatte sie jemandem gewidmet. Wir schafften es nur, später ihre Bettdecke bis hoch an ihr Kinn zu schieben, in dem wir ihr versprechen mussten, Briefe für all die Empfänger schnellstens fertig zu machen, damit die Bilder noch in der kommenden Woche an ihre neuen Besitzer gingen. Glücklicher Weise hatten wir noch ein paar Umschläge und genügend Briefmarken. Für Oma Charlotte nutzten wir extra einen großen, damit wir nichts knicken brauchten. Robert zog sich anschließend nochmals die Jacke über und hechtete in Pantoffeln raus zum nächsten Briefkasten um die Ecke!

Die gute Nonna, Valentina vermisst sie sehr! Da wir in absehbarer Zeit nicht großartig verreisen können – zeitlich, preislich, organisatorisch… passt halt gerade gar nicht –, wäre es für sie bestimmt ganz wundervoll, wenn wir Besuch vom Fürstenhof bekämen. Neben den vielen Geschenken, die sie dann von ihrer Oma kriegen würde, wäre es auch für Robert und mich von Bedeutung, wenn Charlotte vorbeischauen könnte. Ich glaube, er vermisst seine Mama auch sehr und ich vermisse ihre aufbauenden, guten Ratschläge und Weisheiten sowie einfach diesen Mutter-Ersatz.

Ob wir ihr aber von unserem „Familien-Unternehmen“ berichten, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich denke, das sollte ich zusammen mit meinem Sturkopf noch abklären. Wahrscheinlicher ist eher, dass er sich irgendeine Notlage ausdenken würde, um sie anderweitig um eine Finanzspritze zu bitten, falls er den Stolz dafür überhaupt aufbringen sollte. Oder wir erzählen ihr gar nichts. Wie armselig, jaja. Als er dann mit Charlotte telefonierte, war das Gespräch relativ kurz gehalten. Was aber auch wiederum Valentina geschuldet war, die uns währenddessen am Rockzipfel hing und ihrem Papa den Hörer am liebsten wieder entrissen hätte, weil sie sofort mit allen anderen auch sprechen wollte, denen sie ein Bild geschickt hatte. Anerkennung ist unserem Spatz zurzeit sehr wichtig, da will sie natürlich Aufmerksamkeit und Bestätigung für die Dinge, die sie gerade tut.

Manchmal frage ich mich, wie sie sich wohl als große Schwester machen würde… manche Kinder gehen in dieser Rolle vollkommen auf, andere jedoch holen sich einen Knacks weg, wenn plötzlich ein Geschwisterchen die Eltern völlig einnimmt. Nur die Zeit wird zeigen, wie Valentina irgendwann einmal reagieren würde. Aber erst einmal ist der nächste Termin bald; wieder müssen Tests und Auswertungen gemacht werden, und dann würden wir uns irgendwann dafür entscheiden müssen, wenn nötig einen radikaleren Weg einzuschlagen, sofern wir es uns leisten können.

Seit ein paar Tagen jedoch lese ich hin und wieder gerne im Journal nach, was ich bisher so geschrieben habe – muss an den Hormonen liegen. Einmal blätterten Robert und ich sogar beide darin und wir warfen uns gegenseitig verstohlene Blicke zu, grinsten wie Teenager bis aus kleinen, elektrisierenden Berührungen mehr wurde. Das passiert nicht selten und in letzter Zeit sogar häufiger. Allein, wenn ich nur daran denke, überkommt mich ein Hungergefühl jedweder Natur. Sogar jetzt –aber ich habe wirklich Kohldampf und ich könnte gut eine Fütterung vonseiten Roberts vertragen.

„Roooobeerrt!“

Deine