Sonntag, 26 Februar 2012 [Woche 20]
by XShipper
Albträume

du warst in fremden Händen, und eigentlich sollte ich darüber wütend sein, aber es war gut so. Robert hat in dir gelesen, ich weiß nur nicht wie viel. Aber als ich ihn sah, wie er ungläubig Seite um Seite von meinen ganz persönlichen Einträgen in dir blätterte, empfand ich widererwartend Erleichterung anstatt Empörung. Früher hätte ich wohl gemeint, dass dies einen Vertrauensbruch darstelle, doch in dem Moment nahm es mir so viel Last ab und ich brauchte mich nun ihm gegenüber nicht mehr vor mir selbst, vor meinen Gefühlen und vor allem vor meiner Angst zu verstecken.

Sie kamen wieder… diese Alpträume! Ich weiß gar nicht, wieso. Immerhin hatten wir gerade noch eine so schöne Zeit zuhause, wo es doch wieder mit unserer kleinen Familie bergauf ging – die innige Versöhnung mit Robert und Valentinas Gesundheitszustand besserte sich auch. Und damit unsere kleine Prinzessin endlich mal wieder rauskam, hatten wir sie am Montag, an Roberts freien Tag, zu Tantchen Debbie und Onkelchen Jacob gegeben. Die wollten sie mit Kusshand und haben sich so wunderbar um sie gekümmert. So hatten wir zu zweit noch einen romantischen Abend und konnten unsere Familienplanung abermals aufnehmen, bevor der Alltagsstress und die täglichen Probleme unser Leben wieder bestimmen sollten.

Stattdessen stand ich die letzten Tage wieder komplett neben mir – frühs im Bad hatte ich das Gefühl, im Spiegel würde ich eine Fremde darin sehen. Und immer die Angst im Schalk, dass hinter mir plötzlich dieser schwarze Schatten auftaucht und aus meinen Träumen heraus lebendig wird. Nachts habe ich mich an Roberts Seite gekrallt, doch er merkte nichts und seine starken Arme halfen auch nicht – sie konnten nicht verhindern, dass die Teufelin es in meine Träume schaffte und mir drohte… anfangs. Es wurde von Mal zu Mal schlimmer.

Einmal trat Barbara von Heidenberg aus dem Nichts hervor und in ihrer süffisanten, anmaßenden Art meinte sie zu mir, dass mein Familienglück falsch sei, das Ganze hier nicht verdient hätte und Valentina bei mir nicht sicher sei. Zuerst waren es nur eiskalte Worte, doch schon da schnitten diese tiefe Wunden in meinen Verstand. Dann war es die Dunkelheit, die wie ein Schleier um ihr lag, aber ich sah das Messer in ihrer Hand aufblitzen. Sie kam immer näher, sagte nichts, aber zeigte mir, dass sie auch noch Valentina in ihrer Gewalt hatte. Die Hexe versetzte mich in Panik. Ich fürchtete sie hinter jeder Ecke und draußen machten mir die kleinen, schlecht beleuchteten Gassen links und rechts Angst. Nicht einmal zuhause fühlte ich mich mehr sicher. Überall brannte Licht, um ihr keine Verstecke zu ermöglichen.



Ich vermied den Gang runter in die Kellergewölbe des Restaurants, denn da würde ja keiner meine Schreie hören. Und ständig trug ich meine Kleine mit mir rum, weil ich nur so sicher sein konnte, dass sie nicht in ihre Gewalt geriet. Ich wurde langsam irre. Bis ich nicht mehr wusste, was nun eigentlich noch real war und was nicht. Auf einmal war sie weg, aus meiner sicheren Umarmung heraus einfach verschwunden. Ich rief nach Valentina und fand sie schließlich in ihrem Kinderzimmer. Doch jemand anderes hielt sie in den Armen – Barbara. Ihr hämisches Lachen, als sie sich zu mir umdrehte, ließ mich erstarren. Ich konnte mich nicht bewegen und musste mit ansehen, wie sie an mir vorbei ging und die Kleine mitnahm. „Es ist so einfach, siehst du, liebe Eva? Merk dir meine Worte: Robert wird dafür büßen, was er mir versuchte, wegzunehmen, denn ich bekomme immer, was ich will!“

Ihre Worte setzten mir so sehr zu, dass die Alpträume schlimmer wurden! Aber ich fühlte mich so allein und hilflos. Ich hatte mich gefühlsmäßig verrannt und Robert hiervon immer noch nichts erzählt. Und je länger ich schwieg und die Aussprache mit ihm hinauszögerte, desto weniger sah ich mich dazu imstande, mich ihm gegenüber zu öffnen. Kein Wunder, dass die ganze Situation letztlich eskalierte, es musste ja so kommen. Ich traue mich gar nicht, es dir zu erzählen bzw. es irgendwie niederzuschreiben. Ich tue es Robert zuliebe. Denn nie wieder will ich etwas so Grausames sehen. All das Blut! Die Küchenmesser, welche bis zum Schaft in seiner Brust steckten. Ich war zu spät gekommen, um ihn vor dieser Bestie zu warnen. Sie hatte ihre Rache bekommen, ohne dass ich es verhindern konnte.

Voller Verzweiflung schreckte ich hoch und schrie mich förmlich aus meinem Traum heraus. Ich hatte erwartet, dass Robert neben mir liegen würde, doch die andere Seite des Bettes war leer. Wo war er nur? Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte in schillernd roter Leuchtschrift irgendwas von 3 Uhr nachts. Oh mein Gott! Ich hörte, wie Valentina wimmerte. Vermutlich war sie meinetwegen wach geworden und weinte nun. Als ich zu ihr hin bin, stand sie schon in ihrem Bettchen. Wir beide hatten knallrote Gesichter, da nahm ich meine Süße hoch und drückte sie ganz fest an mich – so spendeten wir uns gegenseitig Trost. Aber auch sie fragte nach ihrem Papa, was mich wieder daran erinnerte, wieso ich überhaupt erst wach geworden war. Nur mit einem Bademantel bekleidet, in den ich uns zusammen einhüllte, hastete ich runter ins Restaurant, da ich Robert nirgends in der Wohnung finden konnte.

Mir lief ein furchtbarer Schauer über den Rücken – ich stand vor der Küchentür, durch deren Rahmen noch Licht von drinnen her drang und sich am unteren Rand eine rötliche Pfütze ihren Weg über den Boden bahnte. Nein, das konnte nicht sein, dachte ich noch bei mir. Ich konnte doch unmöglich das geträumt haben, was sich womöglich tatsächlich abgespielt haben sollte. Plötzlich wollte ich die Tür nicht mehr öffnen und einfach nur noch mit Valentina weglaufen. Ganz weit weg und nie mehr wiederkommen. Und doch ging ich hinein und verfolgte die Spur auf den Fliesen zu ihrem Ursprung – ich musste wissen, ob es Roberts Blut war. Mein schlimmster Alptraum schien sich zu bewahrheiten während ich um die Anrichte blickte, den Ursprung fand und meinen völlig in sich zusammengesunkenen, fast vom Stuhl rutschenden Chefkoch sah. Robert saß mit dem Rücken zu mir, also hatte ich ihn eingangs ja nicht richtig gesehen. Weinte ich? Schrie ich? Ja, verdammt, und Valentina gleich mit.

Der nächste Schock folgte sogleich, als Robert schnaufte und komplett verschlafen sowie ziemlich irritiert zu mir aufblickte. Wir beide starrten uns an, und ich konnte nur noch heulen. Ich glaubte wirklich, mein Mann wäre tot. Und plötzlich schaut er mich mit seinen grünen Augen an und war hellwach. Er sprang sofort auf und fragte besorgt, was denn los sei. Dann erkannte er selbst das Chaos, was um uns herum herrschte, und begriff, wie das wohl auf mich gewirkt haben musste. Irgendwelche Entschuldigungen plappernd, wo er inmitten der Menüplanung für eine anstehende Gesellschaftsfeier eingeschlafen sein musste und der Becher mit dem übrig gebliebenen Tomatenhack für das Buscetta, welches er zum Abendbrot essen wollte, ihm aus Versehen im Schlaf aus den Händen geglitten war, nahm er mich und Valentina sogleich in die Arme.

Meine Aufgelöstheit hatte natürlich andere Gründe und basierte nicht nur auf die Szenerie in der Küche, aber Robert war so zuversichtlich, alles sei ja nun wieder ok. Ich würde mich schon wieder beruhigen, es war doch nichts passiert, also brauchte ich nur etwas Zeit – das redete ich mir auch immer wieder ein und wollte seinen Worten auch glauben, doch schon vorletzte Nacht hatte ich einen ähnlichen Alptraum. Nur dieses Mal war ich nicht allein im Schlafzimmer, als ich völlig fertig mit den Nerven und mit Tränen überströmtem Gesicht aufwachte. Barbara von Heidenberg wollte mich nicht mehr in Ruhe lassen, und auch Robert – einer ihrer größten Widersacher –, begriff allmählich, dass nicht nichts mit mir war. Statt es ihm nun zu erzählen, klammerte ich mich an ihn und weinte ein Meer aus salzigem Nass in seine Halsbeuge hinein. Er schwieg, doch in ihm ratterten die Mühlen… ich ahnte es und lag damit richtig.

Tja, das ist die Geschichte hinter deiner Geschichte, wieso mein Mann in dir las. Er hatte die günstige Gelegenheit während einer kurzen Pause im Restaurant genutzt, als ich noch einmal kurz mit Valentina beim Kinderarzt war. Um zu wissen, ob ich vor ihm möglicherweise etwas verheimliche. Robert dachte natürlich, als ich wie angewurzelt im Türrahmen des Schlafzimmers stand, dass ich sauer darauf reagieren würde, und ließ dich sofort fallen. Aber augenblicklich verstanden wir uns wortlos: ich brauchte ihm gegenüber nichts mehr erklären, er begriff nun, und er brauchte sich auch nicht zu entschuldigen, schließlich war ich maßgebend Schuld an der Gesamtsituation. Nein, das stimmt ja auch nicht wirklich… schließlich ist es Barbara, die mich heute noch bis tief ins Unterbewusstsein tyrannisiert. Ich konnte mich in der schützenden Umarmung meines Mannes seelisch fallen lassen und weinte.



Nun wollen wir das Thema Haustier wieder konsequent angehen, immerhin wollten wir uns ja mal einen kleinen Wachhund ins Haus holen. Robert meinte, dass ich mich dann auch sicher fühle, auch wenn er nicht da ist. Ich hoffe, wir kriegen das in nächster Zeit hin…

Deine