Montag, 26 Dezember 2011 [Woche 11]
by XShipper
Weihnachtsspezial mit Laura, Alexander & Hannah Saalfeld


Ein Mix der Kulturen, was für ein Weihnachtsfest! Ich weiß schon gar nicht mehr genau, was die Woche über alles geschehen ist. Aber viel wichtiger ist ja eh Weihnachten! So einen verrückten Heiligabend habe ich, glaube ich zumindest, so noch nie erlebt. Da glaubt man, letztes Jahr war schon chaotisch mit dem noch fehlenden Weihnachtsbaum und der rustikalen Holzfälleraktion im Wald, einem sturen Esel namens Robert und der Einladung schlussendlich bei den Sonnenbichlers.

Die Art und Weise, wie die Italiener hier das Ganze zelebrieren, ist nicht vergleichbar mit Deutschland. Na gut, es ist hier gar nicht mal so anders als in unserer alten Heimat. Aber es gibt schon Unterschiede und Besonderheiten, wie ich feststellen musste. Das kannte ich so vorher noch nicht. In Italien werden zum Beispiel eigentlich keine Plätzchen gebacken, aber uns ist das egal – außerdem bereitet es uns eine Menge Spaß. Und ein bisschen deutsche Tradition wollen wir in uns ja in unserer Familie erhalten. Neben Plätzchen backen gibt es bei uns noch ganz typisch deutsch einen Weihnachtsbaum. Hier wird jedoch sehr viel mehr Wert auf eine aufwendige Krippe, dem „Il Presepe“, gelegt als auf den Weihnachtsbaum. Gianni sagte neulich, dass der hier gern auch mal aus Plastik sein kann oder einfach weg gelassen wird. Die Hauptsache ist nämlich, die eigene aufgestellte Krippe übertrifft die der anderen. Hier sind alle regelrecht verrückt nach Krippenfiguren. Aber Weihnachten ohne einen hübsch mit bunten Lichtern, Weihnachtskugeln, Lametta und Engeln geschmückten Weihnachtsbaum? NEIN! Da sind Robert und ich uns einig. Und auch Valentina ist ganz vernarrt in die vielen farbigen Leuchten.
Aber unser Freund hat ja auch gut reden, bei ihm und Tiziana in der Wohnung steht ein wirklich prächtiges Exemplar. Er hat fast ein halbes Dorf angelegt mit Ställen, Märkten und handgefertigten Porzellanfiguren – eine sehr wunderschöne Geburtsstätte um Jesus… und auch verdammt teuer. Nächstes Jahr will sich sogar Robert an der Schnitzerei ein paar solcher Krippenfiguren versuchen! Ich bin gespannt.



Mein Schwager Alexander mit seiner Familie kann sich bei uns nun auch für ein paar Tage vom Stress erholen. Er, Laura und Hannah sind endlich für ein paar Tage zu Besuch. Laura, die ich ja auch unbedingt gerne kennenlernen wollte, konnte fast nicht kommen. Sie musste für ein paar Wochen zu einer FoBi in Ihre Heimatstadt Halle an der Saale – zum Glück nicht über Weihnachten, da ist sie dann getrennt von ihrem Ehemann nach Verona gefahren. Roberts liebster Bruder und seine kleine Nichte kamen den weiten Weg von Belgien über Luxemburg, Frankreich bis nach Freiburg im Breisgau, wo sie für 2 Nächte übernachtet hatten. Sie waren dort im Europa Park. Diesen Ausflug hatten Alexander und Laura Hannah schon vor langer Zeit versprochen. Hannah konnte es kaum länger erwarten, auf die vielen Bahnen (Wildwasserbahn, Rafting und Schweizer Bobbahn) zu gehen. Es war für ihn und seine Tochter ein unvergesslicher Tag im Europa Park. Die Weiterfahrt ging übrigens auch von Luzern über den Gotthard bis Mailand, bevor sie endlich zu uns nach Verona kamen. Die 3 kamen am gleichen Tag hier an und waren ziemlich fix und fertig. Die Wiedersehensfreude trübte dies allerdings keineswegs. Wir Mädels fanden gleich einen gemeinsamen Draht zueinander und verschwanden wenig später, um alles für die Nachtruhe vorzubereiten. Unsere Männer sind sich noch lange freudig in den Armen gelegen und haben dann fast den ganzen Abend nur noch über alte Zeiten sinniert. Aktuelle Themen, was am Fürstenhof passiert, sowie Politisches durften auch nicht fehlen… und Wein! Dass Robert am Morgen des 23. Dezembers nur schwerlich aus dem Bett kam und gar nicht aufstehen wollte, war ja wohl klar. Da durfte ich dann in die Trickkiste greifen, obwohl Laura und ich sie noch mehrmals ermahnt hatten. Aber hört der Herr auf mich? Die letzten Vorbereitungen für das Restaurant in der Küche mussten allerdings noch gemacht werden, bevor hier die Fastenzeit begann, also hieß es „raus aus den Federn“! Während mein Sternekoch also in die Restaurantküche schlürfte und sowohl für die letztes Mittagsgäste als auch für unsere Festtagsmenüs kulinarische Köstlichkeiten zauberte, haben sich zuhause Valentina und Hannah angefreundet. Laura und ich verbrachten den Vormittag ebenfalls in der Küche, aber in der unsrigen. Da ich für den Valentinstag Robert eine Freude bereiten will, aber mir Kochen und Backen weniger gut liegen, fragte ich sie, ob sie nicht eine Idee hätte. Daraufhin weihte sie mich dann in die Geheimnisse des Pralinen-Machens ein. Im Laufe des Tages kamen dann Jacob mit Debby und Carlo vorbei, also war das Haus voll. Aber so konnten den Ablauf für Heiligabend planen.



Da wir mit Schnee nicht zu rechnen brauchten, mussten wir etwas umdisponieren. Aber Jacob hatte einen großen Hof mit allerlei Fuhrpark. Und unsere Prinzessin hatte die letzten Tage immer wieder von Emil geschwärmt, der den Schlitten vom Weihnachtsmann zieht – sie ist ganz vernarrt in ihn –, kamen wir auf die Idee, für sie ein besonderes Weihnachtsmärchen Wirklichkeit werden zu lassen. Carlo sollte am 24. Dezember, der „Vigilia di Natale“, als „Babbo Natale“ die Geschenke bringen. So heißt nämlich der alte Mann mit Rauschebart und rotem Umhang in Italien. Hier in der Stadt ließ sich das schwer umsetzen, also war der Treffpunkt bei Gianni draußen.

Robert hatte tags darauf für die Feiertage das Restaurant geschlossen, also haben wir unseren Gästen zuerst ein bisschen Verona gezeigt, heimlich wurden die letzten Geschenke gekauft, zuhause dann der Baum geschmückt und kleine Päckchen sowie große Pakete hübsch eingepackt. Auch Hannah war schon ganz aufgeregt, dass endlich der Abend aller Abende anstand, Valentina wurde ganz still und hatte alles mit großen Augen skeptisch verfolgt. Ein paar kleinere Geschenke hatten wir Carlo schon mitgegeben, damit er was für seinen Sack hat und wir für die traditionelle Tombala.



Abends, nachdem wir im Fernsehen das Abfeuern der Kanonenschüsse auf der Engelsburg in Rom verfolgt hatten, die den Beginn der Festtage einläuteten, sind wir zur Messe in eine nahegelegene Kirche, die wirklich schön war, auch wenn Debby hin und wieder übersetzen musste, sofern sie nicht gerade mit Jacob verliebte Blicke tauschte. Die Musik des Chors war aufwühlend und das Ambiente und die dortige Krippe waren wunderschön. Ich musste an meine Eltern denken, die mir gerade in solchen Zeiten sehr fehlen. Aber ich hab Robert und Valentina. Mein Bruder ist ja auch noch da. Dass mein wahrer Vater noch lebt, sich nur in der Weltgeschichte rumtreibt, ist ebenfalls ein tröstender Gedanke. Schade nur, dass er und Käthe nicht bei uns sein konnten. Auch Hildegard war längst wieder abgereist und zum Fürstenhof zurückgekehrt, ohne dass sie bei uns vorbei kommen konnte.
Im großen Trupp ging es dann zu Gianni raus. Stolz zeigte er uns seine aufgebaute Krippe, aber kaum hatten wie es uns dort gemütlich gemacht, erklang aus der Dunkelheit von draußen herein ein schillerndes Glockenspiel. Ein aufgeregtes I-aaah brachte Valentina zum Quicken, sie wollte unbedingt zu Emil! Draußen haben wir den Weihnachtsmann und unseren Esel in Empfang genommen. Unsere Prinzessin war ganz stolz auf Emil, dass sein Traum wahr wurde, und durfte eine Runde Schlitten fahren. Der Schlitten war kein wirklicher Schlitten, schließlich lag kein Schnee. Aber ein roter Tüll war dem Wagen umgehangen, sodass man die Räder nicht sah. Das Mäuschen saß auf meinem Schoß, Hannah auf den von Laura, und zusammen fuhren wir auf dem Hof im Kreis herum, während unsere Männer vom Eingang aus zuschauten. Hannah war zwar nicht so mit der Kinderbuchgeschichte vertraut – außer die kleine Märchenstunden am Abend zuvor –, aber ihren Spaß hatte sie dennoch… wie wir alle.

Und lustig ging es auch weiter. Wir luden den Weihnachtsmann alias Carlo auf einen bzw. mehrere Punsch ein und nahmen ihn mit hinein in die gute Stube. Dort hatte er in seinem Sack für jeden eine Kleinigkeit, aber wir mussten darum spielen. Mit jeder Menge guter Laune zockten wir darum, wer als erstes sein Geschenk aufmachen durfte. Es war nur eine kleine Bescherung der Traditionen wegen, denn erst am darauffolgenden Tag fand ganz in Familie das eigentliche Verteilen der Geschenke mit einem großen, mehrstündigen Festmahl statt. Aber wir genossen den feuchtfröhlichen Abend bei Gianni und Tiziana mit einem drolligen Weihnachtsmann, der es verstand, die Bambini zu belustigen. Zum Abschied haben wir Emil noch ein paar leckere Mohrrüben gegeben, dann tischte Roberts Freund uns eine leckere Vorspeise aus frittierten Sardellen auf, sowie den ersten Gang aus Penne mit Lachs und das Hauptgericht „Baccalá“ bzw. Stockfisch in Bechamelsoße. Ich liebe Fisch! Nachdem Giannis Vater unseren Esel weggebracht hatte, stoß er pünktlich zum Essen wieder zu uns. Zum Nachtisch gab es Carlo seine „Panettone“, der laut seiner Aussage auf keiner Festtagstafel fehlen darf. Eine Süßspeise bestehend aus einem kuppelförmigen, luftig, lockeren Teig, je nach Geschmack mit kandierten Früchten und Rosinen… sehr lecker und eine Mischung aus Muffin und Dresdner Stollen.



Am ersten Weihnachtsfeiertag saßen wir um unseren Weihnachtsbaum herum und verteilten endlich unsere Geschenke. Die meisten davon bekamen natürlich Hannah und Valentina, die mitunter mehr Interesse am Geschenkpapier hatten als an dem, was verpackt wurde. Aber die kleine Holzeisenbahn gefiel beiden. Zudem sind sie ein äußerst gnädiges Publikum, wenn es um Geschichten mit Handspielpuppen geht. Passend zu meiner neuen Kinderbuchgeschichte gab es vom Papa „Romeo und Julia“, sodass wir ihr nun jeden Abend ganz lebendig eine weitere Geschichte für sie aus dem Ärmel schütteln können. Und für die Nacht noch einen Waschbären als Kuscheltier. Hannah selbst hatte viele Wünsche an den Weihnachtsmann gestellt, bis auf den Pony-Wunsch konnte alles erfüllt werden. Vielleicht entschädigte ja doch ein weiterer Besuch bei Emil, bevor wir von der Familie von Roberts Bruder Abschied nehmen mussten. Laura bekam ein wunderhübsches Kleid für besondere Anlässe und ein passendes Kollier, wo Alexander ziemlich tief in die Tasche gegriffen haben muss. Dazu gab es für sie einen besonders pflegeleichten, netten, gefügigen, vor allem aber süßen Mann… aus feinster Schokolade! Von uns gab es die „Le Specialità di Viani“, italienische Gewürzmischungen für ein paar ausgefallene, neue Pralinen-Kreationen der besonderen Art. Was mein Schwager zu Weihnachten bekommen hatte, weiß ich gerade nicht mehr – ich hab’s vergessen. Robert hatte mich ziemlich aus der Fassung gebracht, als ich eines seiner Geschenke für mich aufmachte. Feinstes, rotes Negligé – das war mir etwas peinlich, alle kicherten. Nur mein Mann machte mir schöne Augen. Daraufhin überreichte er mir noch einen Umschlag – eine Reise nach Venedig. „Für unsere Hochzeitsreise“, flüsterte er mir ins Ohr. Ich glaube, ich war genauso rot wie die Unterwäsche. Aber, wie ich gehört habe, ist es in Italien ein äußerst erfolgversprechender Brauch, zu Silvester Rotes unten drunter zu tragen… wollen wir es hoffen. Und für den Hausherrn gab es von seinem Bruder ein teures, edles Küchenmesser-Set aus Solingen. Von mir gab es ein besonderes Familienportrait, das mir die Tage zuvor noch in den Sinn kam, womit ich endlich mein Geschenk für Robert hatte.



Und so feierten wir die Geburt Christi mehr oder weniger nach dem hiesigen und nach unserem eigenen Stil. Den Rest wird es am 6. Januar geben, wenn hier in Italien die Hexe Bafana durch Schornsteine gerutscht kommt und nochmals Geschenke ins Haus bring. Kennst du die Geschichte? Bis heute kannte ich sie nicht, aber nachdem Jacob mit Debby und unsere italienischen Freunde zu uns kamen, wobei Carlo zum Märchenerzähler wurde. Normalerweise bringt die Hexe Bafana gut eine Woche nach Silvester den Kindern die Geschenke, wo die Kleinen dann so richtig auf ihre Kosten kommen. Da fliegt die Alte auf ihrem Besen umher von Haus zu Haus, rutscht in die Kamine und stopft in die vorbereiteten Strümpfe oder Socken die heiß ersehnten Mitbringsel. Für unartige Kinder gibt es lediglich ein Stückchen Kohle, welches aber meist dann doch nur aus Schokolade besteht. Der Legende nach machte sich die Hexe zu spät auf die Socken, um zu Christis Geburt nach dem Jesuskind zu suchen… von daher irrt sie noch heute umher und bringt nun den Kleinen dieser Welt allerlei Geschenke mit. Also eine gute Hexe, anders als in den zahlreichen Märchen der Gebrüder Grimm.

Mittlerweile bin ich entweder schwanger oder ich hab zu viel gegessen. Am eigentlichen Weihnachtsfeiertag in Italien gab es das von Robert vorbereitete große, mehrstündige kulinarische Festmahl unten im Restaurant. Zusammen mit Laura hatte Robert noch alles abschließend verfeinert und zubereitet. Wo das angebliche Fasten vor Weihnachten begonnen hatte und nun schließlich endete, vermag ich nicht zu sagen. Bei uns schienen sich zumindest die Festtische zu biegen. Es gab leckere Köstlichkeiten angefangen von feinem Hühnchen mit Reis, zartem Truthahn, gefolgt von vielen verschiedenartigen Fischspezialitäten bis hin zum hiesigen Weihnachtskuchen „Panetonne“. Robert hatte sich aber auch an veronesischen Spezialitäten wie „Pandoro“ und „Amaretti“ versucht. Es gab auch leckere Honigbällchen, „Struffoli“ genannt, mit denen ich gefüttert wurde, sowie „Pignoletti“ und „Pana Cotta“ mit Früchten. Zur Kaffeekränzchen wurde der kleine Bruder des Panetonne, dem „Pandoro“, serviert. Er ist viel süßer und mit Puderzucker überzogen, enthält aber keine kandierten Früchte und Rosinen. Wenn man den fluffigen Weihnachtskuchen dann noch zum Beispiel in Cappuccino tunkt, ist es ein wahrer Hochgenuss!

Nun will ich für Wochen aber kein Essen mehr sehen, wir sind alle pappe satt. Die letzten Stunden der Weihnachtszeit ließen wir es gemütlich angehen, spielten noch etwas mit den Kindern, legten uns dann für ein kurzes Stündchen hin, anschließend ging es in die Mitternachtsmesse. Und Alexander und seine Familie blieben dann auch nicht viel länger. Laura musste schließlich zurück nach Halle. Allen war klar, dass es nur ein kurzer Besuch werden würde, aber die Zeit verging so schnell. Unsere kleine Frauen-Clique (Debby, Tiziana, Laura und ich) bereitete uns allen viel Spaß mit jeder Menge Tratsch und Gelächter. Der Abschied viel uns allen nicht einfach. Robert war überaus glücklich, dass sein Bruder den Trip nach Verona einrichten konnte. Für mich war es jedenfalls eine wunderbare Überraschung. Aber Valentina weinte, als auch sie ihre neue Freundin Hannah ziehen lassen musste. Ich hab mich bei Laura nochmals für den kleinen Pralinés-Kurs bedankt. Ich weiß noch nicht recht, ob ich das alleine schaffe, aber wen ich Probleme bei der Zubereitung haben sollte, kann ich jederzeit anrufen… oder auch so, wenn mir bzw. uns der Sinn danach steht.

Robert und ich machen uns es nun in unserem Wohnzimmer neben unserem schönen Weihnachtsbaum gemütlich, bis bald…

Deine