Verona Diaries - News


Na, wer von euch plant bereits den Sommerurlaub?
Zieht auf jeden Fall Mallorca mit in die Planung ein,
denn dort öffnete bereits am 1. März das
"Sturm der Liebe"-Café seine Pforten - immer eine Reise wert.

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Sonntag, 14.04.2013 [Woche 77]
by XShipper   
Die Flucht    



Liebes Tagebuch,

im Nachhinein betrachtet bin ich mir noch nicht sicher, ob es eine schlechte oder gute Idee war, Robert von meiner Vermutung während voller Hütte zu berichten. Wie das immer so ist, wenn man zu tuscheln anfängt, sind lauschende Ohren nie weit und meist schon hinter der nächsten Ecke auszumachen. Natürlich war das auch hier der Fall, denn kaum zog ich Robert näher, suchte für uns ein abgeschiedenes Fleckchen draußen auf der Terrasse und hielt mich sowohl an seinem starken Unterarm als auch am Sektglas fest, weil es eben noch irgendeinen Grund zum Anstoßen gab, stürzte mein Bruder heran und stand plötzlich hinter uns. Lautstark und mit seiner typisch quirlig, forschen Art fragte er: „Was Eva? Du machst doch Witze, oder!? Dieser Dreckskerl von Heinemann!“

Ich erschrak fast zu Tode und könnte dieses Gefühl gut und gerne mit damals vergleichen. Beinahe hätte es auch gescheppert und das teure Glas sah ich bereits auf den Terrakottafliesen bersten. Doch dank Roberts blitzschnellen Reflexen konnte dieser es im Flug noch auffangen und stellte es dann sicherheitshalber auf den nahegelegenen Buffettisch…der Inhalt perlte derweil von seinen Fingern, die er eiligst mit einer bedachten Selbstverständlichkeit ableckte. Den Namen Curt Heinemanns brachte Jacob mit einem recht aufbauschen Ton über die Lippen, dass es ihn schon fast anzuekeln schien, aber er wiederholte ihn immer und immer wieder… vor lauter Unglauben und Fassungslosigkeit denke ich. Robert hingegen war weiterhin seltsam still, was mich wiederrum mehr bange werden ließ als dieser mit schrecklichen Ereignissen behaftete Name dieses Schurken.

Während ich hilfesuchend immer wieder den Blick meines Mannes suchte und dort Beistand zu finden erhoffte, die ein Ehemann in stählerner Rüstung seiner geliebten Frau zu Hauf darbieten sollte, las ich stattdessen besorgniserregenden Kummer in seinen Augen, der wie ein dunkles Tuch all den Glanz darin verfinsterte. Genau das wollte ich eigentlich nicht sehen. Aber es zeigte mir, dass Robert mir glaubte und ich nicht vollends verrückt geworden war. Diese mögliche Bedrohung erschien auch für ihn real.

Jacob hingegen stellte seine Angst ziemlich nach außen gewandt zur Schau und spekulierte wild herum, sodass alle anderen Freunde und Gäste unweigerlich Wind von der Sache bekamen. Nur kurz blieb er stehen und schaute perplex in die verwirrten Gesichter seiner notgedrungenen Zuhörer, die allesamt wegen des Tumults nach draußen gekommen waren. Er machte auf dem Absatz kehrt und stellte sich ganz konspirativ wieder zwischen seinem Schwager und mir.

Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass es dann für Heimlichkeiten bereits zu spät war. Dennoch heckten meine Männer einen Plan aus, der mit diesen Worten von Robert begann: „Eva kann hier nicht bleiben!“ Dass ich direkt neben ihm stand und mir der Atem just in dem Moment stockte, schien ihn nicht sonderlich aufzuhalten, mit seiner Überlegung fortzufahren. Ich konnte nur hin und her schauen, während Jacob immer wieder weitere neue Ideen einwarf, die allesamt meine Sicherheit garantieren würden – seines Erachtens nach. So wie es schien, entschied man einfach über meinen Kopf hinweg… hätte ich doch nur nichts gesagt, dachte ich mir da.

Und in den darauffolgenden Tagen wurde organisiert und umdisponiert, so unauffällig wie möglich. Dank Jacobs turbulentem Auftreten hatten wir zwar eine Vielzahl an Mitwisser, aber eben auch Helfer. Es fanden sich Freunde, die auf dem Hof aushelfen wollten und sich um die Tiere kümmern konnten. Eine gute Freundin und auch Kollegin aus dem Kindergarten bot sich als Vertretung an, weswegen ich mir um meine Arbeit keine Sorgen zu machen brauchte. Und Robert fuhr raus zu Gianni, um mit dessen Vater zu sprechen, denn irgendjemand musste ja im „12 Apostoli“ hinterm Herd stehen, der auch die erforderliche Raffinesse hatte.



Und obwohl so viele eingeweiht waren, so nahm der Plan doch mehr im Verborgenen Gestalt an, dass wir davon ausgehen konnten, wenn dieser Schufft uns beschatten würde, hätte er von all dem dennoch nichts mitbekommen. Vielleicht ist das hier alles sinnlos und ich habe mich lediglich verguckt. Ober Curt Heinemann ist lediglich interessiert an seinen nächsten Coup, um Kunstschätze und Bilder aus dem nächsten Museum zu stehlen. Oder aber… da das Schlimmste von ihm nun mal nicht auszuschließen war, wollten Robert und Jacob nichts riskieren. Der sonst so cholerische Saalfeld war hier ausnahmsweise besonnen und eher ruhig – wahrlich nicht seine Art.

Während rund um mich herum meine heile Welt zusammen brach, klammerte ich mich noch an den kläglichen Rest davon. Das bisschen Normalität fand ich unterdessen im Schreiben von Grußkarten. Zwar wurde mein Terminkalender von all dem organisierten Chaos kräftig durchgerüttelt, aber doch fand ich noch ein paar Notizen darin, die mir wieder ein Lächeln auf die Lippen zauberten. Das sah auch Robert, als er gerade ins Zimmer kam, und fragte mich danach. Als ich ihm erzählte, dass ja Hildegard und Alfons Hochzeitstag hätten – und nicht nur irgend einen –, sah ich endlich wieder den Mann, dem ich einst mein Herz schenkte. Ich war sooo beseelt von Zufriedenheit und Wärme, dass ich den beiden unbedingt eine Karte schreiben wollte, um ihnen nur das Beste zu wünschen. Und Robert ließ sich nicht zweimal bitten und plumpste beschwingt neben mir auf die Couch. Zu nah allerdings, dass ich kaum Armfreiheiten hatte, um ordentlich zu schreiben. Aber ich genoss seine Nähe und die kurzweilige Wonne in dieser Situation. Gemeinsam grübelt es sich über Texte eben besser.

Es sollte allerdings der vorerst letzte so ruhige Tag gewesen sein, denn schon kurz darauf hieß es Koffer packen und die letzten Feinheiten regeln. Wo es allerdings hingehen sollte, wollte man mir nicht verraten. Ich wusste noch nicht einmal, wann genau es losgehen sollte. Und ich fühlte mich noch elender als eh schon. Schließlich war ich schuld an dem ganzen Schlamassel und der Auffuhr. Und das alles nur, weil ich glaubte, Curt Heinemann gesehen zu haben. Immer öfter stelle ich das nun in Zweifel, aber was nützt das alles noch. Es ist eh zu spät, den Plan abzublasen. Schlimmer wäre es dann, wenn wir nichts unternehmen und dann stünde mein Peiniger doch vor unserer Tür. Diesen Alptraum werde ich partout nicht los.

Eines Morgens wachte ich auf und Robert lag nicht neben mir im Bett. Ich tastete im Halbschlaf nach ihm und meine Hand fand nur ein leeres, kaltes Kopfkissen. Wir hatten bereits beide frei, was mich vermuten ließ, dass die Abreise nicht mehr allzu weit hin wäre, also hatten wir die letzten Male morgens noch ein wenig Zeit zu zweit. Aber wo war er nun? Ich wurde panisch und schrak hoch. Selten war ich so schnell aus dem Bett und eilte rüber ins Bad. Mich traf fast der Schlag, weil mein Gehirn gar nicht so schnell die Situation fassen konnte. Lediglich diesen roten Notizzettel sah ich am Spiegel kleben. Ich riss ihn runter und versuchte ihn krampfhaft zu lesen. Roberts Handschrift erkannte ich dabei als erstes, aber seine Worte wollten sich mir noch nicht erschließen. Irgendwie schien ich in einem Fliehmodus gefangen und mein Verstand wollte mir krampfhaft einbläuen, es wäre eine fiese Botschaft des Entführers. Nur nach mehrmaligem Überfliegens las ich endlich den liebgemeinten Gruß und eine reumütige Entschuldigung. Wenn ich mehr wissen möchte, wo er wäre, müsste ich nur nach dem nächsten Hinweis Ausschau halten.

So ganz begriff ich sein Spielchen nicht und wurde etwas skeptisch, bis ich erneut einen Klebezettel in der Küche fand. Er wünschte mir und der Kleinen einen guten Appetit, entschuldigte sich erneut, dass er nicht bei uns wäre, und verwies nur auf den letzten, versteckten Hinweis irgendwo in der Wohnung. Ich sah den gedeckten Tisch, den er mit Sorgfalt und viel Liebe angerichtet hatte. Mir kam das allerdings wie eine perfide Henkersmahlzeit vor. Bevor ich mich darüber hermachen wollte, suchte ich sowohl Valentina als auch seine Nachricht. Schön und gut, den Spatz fand ich quickfidel in ihrem Zimmer spielen. Sie lachte mich an und schien sich keiner Sorgen bewusst. Einen Moment verweilte ich und fragte mich nicht zum ersten Mal, wieso jemand so Junges schon so früh schon topfit sein kann. Ich machte kehrt und suchte weiter, doch fand nichts außer gepackte Koffer und Taschen im Flur stehend. Robert hatte anscheinend an alles gedacht, aber was zum Henker hatte er als letztes geschrieben? Irgendetwas Wichtiges ganz sicher, nur ohne den Zettel würde ich das nie erfahren. Dieses ungemütliche Gefühl in der Magengegend beschlich mich immer mehr, bis ich fast rennend von Zimmer zu Zimmer hechtete und beinahe anfing zu weinen.

Wieder kam ich am Kinderzimmer vorbei und noch immer vergnügte sich die Kleine mit sich selbst… nicht ganz. Ich sah näher hin und erkannte, dass sie auf etwas rum kaute und Schnipsel überall verstreut um sie herum lagen. Oh Gott, nein, Roberts Nachricht! Valentina!!! Ich rannte zu ihr und sperrte ihren Mund auf. Die Ärmste wusste gar nicht, wie ihr geschah und biss mir fast auf die Finger. Bevor sie zappelnd um sich schlagen konnte, hatte ich auch schon alles aus ihr raus und nahm auch schnell die Reste vom Boden mit. Da stand ich nun: ein blökendes Kind und eine zerrissene, vollgesabberte, fast unkenntliche Kritzelei.

Lediglich „bin“ und „Auto“ konnte ich entziffern, der Rest war nicht mehr zu gebrauchen. Ich ließ mich neben Valentina auf dem Boden fallen und resignierte. Sie hingegen schniefte noch einmal kurz und kam dann auf mich zu. Ich nahm sich in den Arm und entschuldigte mich bei ihr. Dann kam mir endlich der Geistesblitz des Tages – wieso hatte ich nicht schon viel früher daran gedacht? Zusammen mit Valentina im Arm stand ich auf und suchte erneut, dieses Mal nach meinem Handy. Natürlich, ich hätte ihn auch gleich anrufen können. Doch in dem Moment, in dem ich es fand und Robert über die Kurzwahltaste anrufen wollte, drehte sich ein Schlüssel vorne in der Tür. Ich verharrte, rührte mich nicht und sah nur, dass der Anruf zu Robert bereits aufgebaut wurde. Und ich dachte nur, dass, was auch immer jetzt geschieht, wenn jetzt Curt Heinemann in der Tür steht und mich wie auch Valentina entführt, Robert würde es hören und sofort zu meiner Rettung eilen. Es klingelte bereits… sowohl auf meinem Display aber auch im Flur. Ängstlich und perplex starrte ich in dessen Richtung und plötzlich auch auf einen irritierenden Robert, der verwundert sein Handy in der Hand hielt.

Am liebsten hätte ich ihm meines augenblicklich an den Kopf geworfen. Er war vollkommen guter Dinge und voller Tatendrang, war schon fleißig am Bepacken des Autos und wollte mir lediglich mit den Zetteln genau das sagen, damit ich mich nicht wundere und vor allem aber beeile. Dass ich noch in Unterwäsche, ungewaschen mit zerwühlten Haare, ohne Frühstück gegessen zu haben und außer mir vor Sorge im Wohnzimmer stand, konnte er gar nicht verstehen. Er dachte, ich wäre längst fertig und wir könnten gleich los.

Da nützte es auch nichts, dass er mir mit seiner letzten Botschaft schrieb, wie sehr er mich so, so, so, so, so, so 1000 Mal so liebt und er alles für mich tun würde… auch wenn es bedeutet, mich bis ans Ende der Welt zu bringen! Den nassen Wisch hielt ich ihm entgegen und er schaute mich mit diesem wehmütigen Hundeblick ganz doll entschuldigend an. Ich war sauer, aber nicht für lange. Er küsste mich und war dann mit den restlichen Koffern wieder verschwunden. Also ging ich in die Küche, setzte Valentina in Ihrem Kinderstuhl ab und zu zweit aßen wir ein kurzes, kleines Frühstück ehe ich sie und schließlich mich für den Tag wappnete.

Tja, so war das. Seitdem sitzen wir in einem Zweier-Konvoi im Auto auf der Landstraße – Jacob und Debbie vorfahrend und unsere kleine Familie ihnen an der Stoßstange dicht folgend… mit unbekanntem Ziel für eine unbestimmte Zeit. Zumindest scheint uns niemand zu folgen.

Deine